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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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Stufe steht die andre, wie doch die mancherley heteroge-
nen Eigenschaften des nämlichen Dinges mit der Sub-
stanz desselben verbunden seyn mögen. Aber auf jener
niedrigen Stufe, wo zuerst vorstellende, lebendige We-
sen, als solche aufgefasst werden, da ist diese Auffassung
nichts anderes als eine blosse Complexion, die unter an-
dern Merkmalen auch dieses enthält, dass in ihr Bilder
seyen von den äussern Dingen, durch welche ihre Bewe-
gungen bestimmt werden. An einen Grund des Zusam-
menhangs dieser Bilder mit den übrigen Bestimmungen
der nämlichen Complexion, wird hier noch nicht gedacht,
also auch nicht darnach gesucht.

Wo nun immer in irgend eine Bewegung sich eine
Absicht derselben hineindenken lässt: da wird das Kind,
und der kindliche Mensch, sie hineindenken. Einmal in
dieses Gleis hineingerathen, verlässt die Association der Ge-
danken es nicht leicht wieder. Wenn Kinder: Warum?
fragen, so zielt die Mehrzahl dieser Fragen nach einer
End-Ursache; und die roheren Nationen bevölkern Wald
und Flur und Himmel und Meer mit Gottheiten, weil
ihnen Alles um Alles sich zu bekümmern, also auch Al-
les von Allem zu wissen scheint. Eigentliche Kräfte, vol-
lends mit mathematischer Regelmässigkeit, sind viel schwe-
rer zu fassen; -- und noch heute ist, anstatt derselben,
die transscendentale Freyheit, die nach ihrem praktischen
Gesetze sich ohne Gesetz entweder richtet oder auch
nicht, das Schoosskind unserer Philosophen.

Es erhält demnach die Vorstellung von dem Vorstellen,
und von vorstellenden Wesen, die wir in einem weiteren
Sinne des Worts, Personen nennen können, frühzeitig
eine vorzügliche Stärke; und bildet sich zu einem, zwar
noch rohen, allgemeinen Begriffe, nach der Ansicht des
§. 121. und 122. An alles Vorkommende knüpft sich dieser
Begriff, je nach den Veranlassungen, entweder als positives,
oder als negatives Prädicat. Es ist kein Zweifel, dass er
auch die im vorigen §. betrachtete Complexion, deren erste
Elemente die Wahrnehmung des eignen Leibes darbie-

Stufe steht die andre, wie doch die mancherley heteroge-
nen Eigenschaften des nämlichen Dinges mit der Sub-
stanz desselben verbunden seyn mögen. Aber auf jener
niedrigen Stufe, wo zuerst vorstellende, lebendige We-
sen, als solche aufgefaſst werden, da ist diese Auffassung
nichts anderes als eine bloſse Complexion, die unter an-
dern Merkmalen auch dieses enthält, daſs in ihr Bilder
seyen von den äuſsern Dingen, durch welche ihre Bewe-
gungen bestimmt werden. An einen Grund des Zusam-
menhangs dieser Bilder mit den übrigen Bestimmungen
der nämlichen Complexion, wird hier noch nicht gedacht,
also auch nicht darnach gesucht.

Wo nun immer in irgend eine Bewegung sich eine
Absicht derselben hineindenken läſst: da wird das Kind,
und der kindliche Mensch, sie hineindenken. Einmal in
dieses Gleis hineingerathen, verläſst die Association der Ge-
danken es nicht leicht wieder. Wenn Kinder: Warum?
fragen, so zielt die Mehrzahl dieser Fragen nach einer
End-Ursache; und die roheren Nationen bevölkern Wald
und Flur und Himmel und Meer mit Gottheiten, weil
ihnen Alles um Alles sich zu bekümmern, also auch Al-
les von Allem zu wissen scheint. Eigentliche Kräfte, vol-
lends mit mathematischer Regelmäſsigkeit, sind viel schwe-
rer zu fassen; — und noch heute ist, anstatt derselben,
die transscendentale Freyheit, die nach ihrem praktischen
Gesetze sich ohne Gesetz entweder richtet oder auch
nicht, das Schooſskind unserer Philosophen.

Es erhält demnach die Vorstellung von dem Vorstellen,
und von vorstellenden Wesen, die wir in einem weiteren
Sinne des Worts, Personen nennen können, frühzeitig
eine vorzügliche Stärke; und bildet sich zu einem, zwar
noch rohen, allgemeinen Begriffe, nach der Ansicht des
§. 121. und 122. An alles Vorkommende knüpft sich dieser
Begriff, je nach den Veranlassungen, entweder als positives,
oder als negatives Prädicat. Es ist kein Zweifel, daſs er
auch die im vorigen §. betrachtete Complexion, deren erste
Elemente die Wahrnehmung des eignen Leibes darbie-

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[266/0301] Stufe steht die andre, wie doch die mancherley heteroge- nen Eigenschaften des nämlichen Dinges mit der Sub- stanz desselben verbunden seyn mögen. Aber auf jener niedrigen Stufe, wo zuerst vorstellende, lebendige We- sen, als solche aufgefaſst werden, da ist diese Auffassung nichts anderes als eine bloſse Complexion, die unter an- dern Merkmalen auch dieses enthält, daſs in ihr Bilder seyen von den äuſsern Dingen, durch welche ihre Bewe- gungen bestimmt werden. An einen Grund des Zusam- menhangs dieser Bilder mit den übrigen Bestimmungen der nämlichen Complexion, wird hier noch nicht gedacht, also auch nicht darnach gesucht. Wo nun immer in irgend eine Bewegung sich eine Absicht derselben hineindenken läſst: da wird das Kind, und der kindliche Mensch, sie hineindenken. Einmal in dieses Gleis hineingerathen, verläſst die Association der Ge- danken es nicht leicht wieder. Wenn Kinder: Warum? fragen, so zielt die Mehrzahl dieser Fragen nach einer End-Ursache; und die roheren Nationen bevölkern Wald und Flur und Himmel und Meer mit Gottheiten, weil ihnen Alles um Alles sich zu bekümmern, also auch Al- les von Allem zu wissen scheint. Eigentliche Kräfte, vol- lends mit mathematischer Regelmäſsigkeit, sind viel schwe- rer zu fassen; — und noch heute ist, anstatt derselben, die transscendentale Freyheit, die nach ihrem praktischen Gesetze sich ohne Gesetz entweder richtet oder auch nicht, das Schooſskind unserer Philosophen. Es erhält demnach die Vorstellung von dem Vorstellen, und von vorstellenden Wesen, die wir in einem weiteren Sinne des Worts, Personen nennen können, frühzeitig eine vorzügliche Stärke; und bildet sich zu einem, zwar noch rohen, allgemeinen Begriffe, nach der Ansicht des §. 121. und 122. An alles Vorkommende knüpft sich dieser Begriff, je nach den Veranlassungen, entweder als positives, oder als negatives Prädicat. Es ist kein Zweifel, daſs er auch die im vorigen §. betrachtete Complexion, deren erste Elemente die Wahrnehmung des eignen Leibes darbie-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/301>, abgerufen am 25.04.2024.