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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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dass der Augenblick versäumt worden,) so gelangt dabey
das Ich zum Bewusstseyn. Denn sie, die appercipirende
Vorstellungsmasse, worin die Maxime besteht, sieht als-
dann das Handeln, welches von innen, aus dem wis-
senden und denkenden Subjecte, nach aussen, zu den
Objecten hin, geht oder gehen kann; sie sieht zugleich
den Erfolg, welcher in die Wahrnehmung fällt oder fal-
len konnte; sie sieht also das im Handeln von sich wis-
sende Ich; und ihre eigne Activität schmilzt mit ihm zu-
sammen, eben indem sie also sieht, und über das Ge-
sehene verfügt. Dass hier statt des Handelns auch ein
Leiden, eine Hingebung kann gesetzt werden, ist bekannt
aus §. 136.

Da nun dieses sich so oft ereignet, als Maximen
zur Anwendung kommen: so ergiebt sich, nicht nur, dass
die Eigenthümlichkeit des Selbstbewusstseyns für einen
Jeden gar sehr von seinen Maximen, und von deren
Wirksamkeit abhängt, sondern auch, dass die Intensität
des Selbstbewusstseyns sehr gesteigert wird durch dieje-
nige höhere Ausbildung, welche allmählig die Maximen
erschafft, verknüpft, einschärft.

Zurückgeleitet durch diese Bemerkung auf die Un-
tersuchung über das Ich: wollen wir uns zugleich an je-
nes Gleichgewicht zwischen Wollen und Hingebung er-
innern, welches, wie oben (§. 136.) gezeigt, zur Reini-
gung des Ich von dem Zufälligen seiner Objectivität er-
fordert wird.

Wir können jetzt drey Stufen unterscheiden, auf
welchen dieses Gleichgewicht sich bilden und erhalten
muss, wenn nicht eine gefährliche Abweichung von dem-
selben herbeygeführt werden soll.

Die erste Stufe zeigt uns die Untersuchung des
§. 150. Noch vor aller Bildung der Maximen entstehn
und wirken solche Vorstellungsreihen, wie dort beschrie-
ben worden; sie entstehn sporadisch, und wirken nach
Gelegenheit, ohne selbst eine veste Bestimmung von
Zwecken, von Objecten des Begehrens in sich zu tragen.

daſs der Augenblick versäumt worden,) so gelangt dabey
das Ich zum Bewuſstseyn. Denn sie, die appercipirende
Vorstellungsmasse, worin die Maxime besteht, sieht als-
dann das Handeln, welches von innen, aus dem wis-
senden und denkenden Subjecte, nach auſsen, zu den
Objecten hin, geht oder gehen kann; sie sieht zugleich
den Erfolg, welcher in die Wahrnehmung fällt oder fal-
len konnte; sie sieht also das im Handeln von sich wis-
sende Ich; und ihre eigne Activität schmilzt mit ihm zu-
sammen, eben indem sie also sieht, und über das Ge-
sehene verfügt. Daſs hier statt des Handelns auch ein
Leiden, eine Hingebung kann gesetzt werden, ist bekannt
aus §. 136.

Da nun dieses sich so oft ereignet, als Maximen
zur Anwendung kommen: so ergiebt sich, nicht nur, daſs
die Eigenthümlichkeit des Selbstbewuſstseyns für einen
Jeden gar sehr von seinen Maximen, und von deren
Wirksamkeit abhängt, sondern auch, daſs die Intensität
des Selbstbewuſstseyns sehr gesteigert wird durch dieje-
nige höhere Ausbildung, welche allmählig die Maximen
erschafft, verknüpft, einschärft.

Zurückgeleitet durch diese Bemerkung auf die Un-
tersuchung über das Ich: wollen wir uns zugleich an je-
nes Gleichgewicht zwischen Wollen und Hingebung er-
innern, welches, wie oben (§. 136.) gezeigt, zur Reini-
gung des Ich von dem Zufälligen seiner Objectivität er-
fordert wird.

Wir können jetzt drey Stufen unterscheiden, auf
welchen dieses Gleichgewicht sich bilden und erhalten
muſs, wenn nicht eine gefährliche Abweichung von dem-
selben herbeygeführt werden soll.

Die erste Stufe zeigt uns die Untersuchung des
§. 150. Noch vor aller Bildung der Maximen entstehn
und wirken solche Vorstellungsreihen, wie dort beschrie-
ben worden; sie entstehn sporadisch, und wirken nach
Gelegenheit, ohne selbst eine veste Bestimmung von
Zwecken, von Objecten des Begehrens in sich zu tragen.

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[424/0459] daſs der Augenblick versäumt worden,) so gelangt dabey das Ich zum Bewuſstseyn. Denn sie, die appercipirende Vorstellungsmasse, worin die Maxime besteht, sieht als- dann das Handeln, welches von innen, aus dem wis- senden und denkenden Subjecte, nach auſsen, zu den Objecten hin, geht oder gehen kann; sie sieht zugleich den Erfolg, welcher in die Wahrnehmung fällt oder fal- len konnte; sie sieht also das im Handeln von sich wis- sende Ich; und ihre eigne Activität schmilzt mit ihm zu- sammen, eben indem sie also sieht, und über das Ge- sehene verfügt. Daſs hier statt des Handelns auch ein Leiden, eine Hingebung kann gesetzt werden, ist bekannt aus §. 136. Da nun dieses sich so oft ereignet, als Maximen zur Anwendung kommen: so ergiebt sich, nicht nur, daſs die Eigenthümlichkeit des Selbstbewuſstseyns für einen Jeden gar sehr von seinen Maximen, und von deren Wirksamkeit abhängt, sondern auch, daſs die Intensität des Selbstbewuſstseyns sehr gesteigert wird durch dieje- nige höhere Ausbildung, welche allmählig die Maximen erschafft, verknüpft, einschärft. Zurückgeleitet durch diese Bemerkung auf die Un- tersuchung über das Ich: wollen wir uns zugleich an je- nes Gleichgewicht zwischen Wollen und Hingebung er- innern, welches, wie oben (§. 136.) gezeigt, zur Reini- gung des Ich von dem Zufälligen seiner Objectivität er- fordert wird. Wir können jetzt drey Stufen unterscheiden, auf welchen dieses Gleichgewicht sich bilden und erhalten muſs, wenn nicht eine gefährliche Abweichung von dem- selben herbeygeführt werden soll. Die erste Stufe zeigt uns die Untersuchung des §. 150. Noch vor aller Bildung der Maximen entstehn und wirken solche Vorstellungsreihen, wie dort beschrie- ben worden; sie entstehn sporadisch, und wirken nach Gelegenheit, ohne selbst eine veste Bestimmung von Zwecken, von Objecten des Begehrens in sich zu tragen.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/459>, abgerufen am 28.03.2024.