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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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Empfindungen, die aber, gleichzeitig, einander verwirren.
Die Zunge ist zugleich ein vorzüglicher Sitz des Gefühls
jeder Art. (Auch bekommt sie verschiedene Arten von
Nerven.)

71. Gerüche dringen sich auf, gleich den Tönen, aber
sie gestatten nicht gleich diesen, daß man in ihnen ein Man-
nigfaltiges unterscheide. Das Geruchs-Werkzeug ist weni-
ger, als die übrigen Organe des Sinnes, in unserer Ge-
walt; es selbst leidet sehr bei seinen Functionen. Gerüche
können tödten und ansteckende Krankheiten fortpflanzen; sie
sind meistens angenehm oder unangenehm, selten gleichgül-
tig; aber keiner wird lange empfunden, jeder stumpft schnell
das Werkzeug ab.

Der cultivirte Mensch scheint in Hinsicht dieses Sin-
nes durchaus abgestumpft im Vergleich mit dem Wilden
und mit vielen Thieren.

72. Das Gehör ist unter allen Sinnen am reichsten
in der Mannigfaltigkeit der Empfindungen. Die musikali-
schen Töne lassen, selbst gleichzeitig; sich unterscheiden; von
ihnen unabhängig ist die Auffassung der Vokale, und neben
beyden findet sich die Wahrnehmung der Consonanten, die,
wie es scheint, in die Klasse des mannigfaltigen Geräusches
gehören. Merkwürdig ist das tonlose, und dennoch ver-
ständliche Sprechen des Menschen. Diesem nahe kommend
ist vielleicht die Auffassung derjenigen, die von Geburt ganz
unmusikalisch sind und dennoch sehr gut hören. (Wahr-
scheinlich hat jeder musikalische Ton seinen eignen Antheil
am Organ. Außerdem ist nicht wohl einzusehn, wie gleich-
zeitige Töne gesondert bleiben, und warum sie nicht einen
dritten gemischten Ton ergeben, welches die ästhetische Auf-
fassung der Jntervalle vernichten würde.)

73. Das Gesicht unterscheidet Farben und, von die-
sen unabhängig, die Grade der Beleuchtung. Jede Stelle

Empfindungen, die aber, gleichzeitig, einander verwirren.
Die Zunge ist zugleich ein vorzüglicher Sitz des Gefühls
jeder Art. (Auch bekommt sie verschiedene Arten von
Nerven.)

71. Gerüche dringen sich auf, gleich den Tönen, aber
sie gestatten nicht gleich diesen, daß man in ihnen ein Man-
nigfaltiges unterscheide. Das Geruchs-Werkzeug ist weni-
ger, als die übrigen Organe des Sinnes, in unserer Ge-
walt; es selbst leidet sehr bei seinen Functionen. Gerüche
können tödten und ansteckende Krankheiten fortpflanzen; sie
sind meistens angenehm oder unangenehm, selten gleichgül-
tig; aber keiner wird lange empfunden, jeder stumpft schnell
das Werkzeug ab.

Der cultivirte Mensch scheint in Hinsicht dieses Sin-
nes durchaus abgestumpft im Vergleich mit dem Wilden
und mit vielen Thieren.

72. Das Gehör ist unter allen Sinnen am reichsten
in der Mannigfaltigkeit der Empfindungen. Die musikali-
schen Töne lassen, selbst gleichzeitig; sich unterscheiden; von
ihnen unabhängig ist die Auffassung der Vokale, und neben
beyden findet sich die Wahrnehmung der Consonanten, die,
wie es scheint, in die Klasse des mannigfaltigen Geräusches
gehören. Merkwürdig ist das tonlose, und dennoch ver-
ständliche Sprechen des Menschen. Diesem nahe kommend
ist vielleicht die Auffassung derjenigen, die von Geburt ganz
unmusikalisch sind und dennoch sehr gut hören. (Wahr-
scheinlich hat jeder musikalische Ton seinen eignen Antheil
am Organ. Außerdem ist nicht wohl einzusehn, wie gleich-
zeitige Töne gesondert bleiben, und warum sie nicht einen
dritten gemischten Ton ergeben, welches die ästhetische Auf-
fassung der Jntervalle vernichten würde.)

73. Das Gesicht unterscheidet Farben und, von die-
sen unabhängig, die Grade der Beleuchtung. Jede Stelle

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[56/0064] Empfindungen, die aber, gleichzeitig, einander verwirren. Die Zunge ist zugleich ein vorzüglicher Sitz des Gefühls jeder Art. (Auch bekommt sie verschiedene Arten von Nerven.) 71. Gerüche dringen sich auf, gleich den Tönen, aber sie gestatten nicht gleich diesen, daß man in ihnen ein Man- nigfaltiges unterscheide. Das Geruchs-Werkzeug ist weni- ger, als die übrigen Organe des Sinnes, in unserer Ge- walt; es selbst leidet sehr bei seinen Functionen. Gerüche können tödten und ansteckende Krankheiten fortpflanzen; sie sind meistens angenehm oder unangenehm, selten gleichgül- tig; aber keiner wird lange empfunden, jeder stumpft schnell das Werkzeug ab. Der cultivirte Mensch scheint in Hinsicht dieses Sin- nes durchaus abgestumpft im Vergleich mit dem Wilden und mit vielen Thieren. 72. Das Gehör ist unter allen Sinnen am reichsten in der Mannigfaltigkeit der Empfindungen. Die musikali- schen Töne lassen, selbst gleichzeitig; sich unterscheiden; von ihnen unabhängig ist die Auffassung der Vokale, und neben beyden findet sich die Wahrnehmung der Consonanten, die, wie es scheint, in die Klasse des mannigfaltigen Geräusches gehören. Merkwürdig ist das tonlose, und dennoch ver- ständliche Sprechen des Menschen. Diesem nahe kommend ist vielleicht die Auffassung derjenigen, die von Geburt ganz unmusikalisch sind und dennoch sehr gut hören. (Wahr- scheinlich hat jeder musikalische Ton seinen eignen Antheil am Organ. Außerdem ist nicht wohl einzusehn, wie gleich- zeitige Töne gesondert bleiben, und warum sie nicht einen dritten gemischten Ton ergeben, welches die ästhetische Auf- fassung der Jntervalle vernichten würde.) 73. Das Gesicht unterscheidet Farben und, von die- sen unabhängig, die Grade der Beleuchtung. Jede Stelle

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/64>, abgerufen am 23.04.2024.