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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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Was brauchts dir Denkmal! Du hast dir
das herrlichste errichtet; und kümmert die
Ameisen, die drum krabein, dein Name nichts,
hast du gleiches Schicksal mit dem Baumei-
ster, der Berge aufthürmte in die Wolken.

Wenigen ward es gegeben, einen Babelge-
danken in der Seele zu zeugen, ganz, groß,
und bis in den kleinsten Theil nothwendig
schön, wie Bäume Gottes; wenigern, auf
tausend bietende Hände zu treffen, Felsen-
grund zu graben, steile Höhen drauf zu zau-
bern, und dann sterbend ihren Söhnen zu sa-
gen: ich bleibe bey euch, in den Wolken mei-
nes Geistes, vollendet das begonnene in die
Wolken.

Was brauchts dir Denkmal! und von mir!
Wenn der Pöbel heilige Namen ausspricht,
ists Aberglaube oder Lästerung. Dem schwa-
chen Geschmäckler wirds ewig schwindlen an
deinem Coloß, und ganze Seelen werden dich
erkennen ohne Deuter.

Also nur, trefflicher Mann, eh ich mein
geflicktes Schiffchen wieder auf den Ocean
wage, wahrscheinlicher dem Tod als dem Ge-
winnst entgegen, siehe hier in diesem Hain,
wo ringsum die Namen meiner Geliebten
grünen, schneid ich den deinigen, in eine dei-
nem Thurm gleich schlankaufsteigende Buche,
hänge an seinen vier Zipfeln dies Schnupftuch

mit

Was brauchts dir Denkmal! Du haſt dir
das herrlichſte errichtet; und kuͤmmert die
Ameiſen, die drum krabein, dein Name nichts,
haſt du gleiches Schickſal mit dem Baumei-
ſter, der Berge aufthuͤrmte in die Wolken.

Wenigen ward es gegeben, einen Babelge-
danken in der Seele zu zeugen, ganz, groß,
und bis in den kleinſten Theil nothwendig
ſchoͤn, wie Baͤume Gottes; wenigern, auf
tauſend bietende Haͤnde zu treffen, Felſen-
grund zu graben, ſteile Hoͤhen drauf zu zau-
bern, und dann ſterbend ihren Soͤhnen zu ſa-
gen: ich bleibe bey euch, in den Wolken mei-
nes Geiſtes, vollendet das begonnene in die
Wolken.

Was brauchts dir Denkmal! und von mir!
Wenn der Poͤbel heilige Namen ausſpricht,
iſts Aberglaube oder Laͤſterung. Dem ſchwa-
chen Geſchmaͤckler wirds ewig ſchwindlen an
deinem Coloß, und ganze Seelen werden dich
erkennen ohne Deuter.

Alſo nur, trefflicher Mann, eh ich mein
geflicktes Schiffchen wieder auf den Ocean
wage, wahrſcheinlicher dem Tod als dem Ge-
winnſt entgegen, ſiehe hier in dieſem Hain,
wo ringsum die Namen meiner Geliebten
gruͤnen, ſchneid ich den deinigen, in eine dei-
nem Thurm gleich ſchlankaufſteigende Buche,
haͤnge an ſeinen vier Zipfeln dies Schnupftuch

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[122/0126] Was brauchts dir Denkmal! Du haſt dir das herrlichſte errichtet; und kuͤmmert die Ameiſen, die drum krabein, dein Name nichts, haſt du gleiches Schickſal mit dem Baumei- ſter, der Berge aufthuͤrmte in die Wolken. Wenigen ward es gegeben, einen Babelge- danken in der Seele zu zeugen, ganz, groß, und bis in den kleinſten Theil nothwendig ſchoͤn, wie Baͤume Gottes; wenigern, auf tauſend bietende Haͤnde zu treffen, Felſen- grund zu graben, ſteile Hoͤhen drauf zu zau- bern, und dann ſterbend ihren Soͤhnen zu ſa- gen: ich bleibe bey euch, in den Wolken mei- nes Geiſtes, vollendet das begonnene in die Wolken. Was brauchts dir Denkmal! und von mir! Wenn der Poͤbel heilige Namen ausſpricht, iſts Aberglaube oder Laͤſterung. Dem ſchwa- chen Geſchmaͤckler wirds ewig ſchwindlen an deinem Coloß, und ganze Seelen werden dich erkennen ohne Deuter. Alſo nur, trefflicher Mann, eh ich mein geflicktes Schiffchen wieder auf den Ocean wage, wahrſcheinlicher dem Tod als dem Ge- winnſt entgegen, ſiehe hier in dieſem Hain, wo ringsum die Namen meiner Geliebten gruͤnen, ſchneid ich den deinigen, in eine dei- nem Thurm gleich ſchlankaufſteigende Buche, haͤnge an ſeinen vier Zipfeln dies Schnupftuch mit

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/126>, abgerufen am 28.03.2024.