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Herder, Johann Gottfried von: Kapitel 5; Kapitel 6. In: Über die neuere Deutsche Litteratur. […] Dritte Sammlung. Riga, 1767, S. 50–75.

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gesellschaflichen Tons uns weit voraus sind: - ihr Deutsche, wo haben wir sie denn? Ich muß mich ja schämen, einen Köster neben Allgarotti zu sezzen!



6.

Jetzt bitte ich einige Dichter etwas beyseit; mit denen ich ein Wort zu sprechen habe. Wenn bei sinnlichen Begriffen, bei Erfahrungsideen, bei einfachen Wahrheiten, und in der klaren Sprache des natürlichen Lebens der Gedanke am Ausdrucke so sehr klebt: so wird für den, der meistens aus dieser Quelle schöpfen muß, für den, der gleichsam der Oberherr dieser Sphäre gewesen, (wenigstens in der alten sinnlichen Zeit der Welt) für ihn, muß der Gedanke zum Ausdrucke sich verhalten, nicht wie der Körper zur Haut, die ihn umziehet; sondern wie die Seele zum Körper, den sie bewohnet: und so ists für den Dichter. Er soll Empfindungen ausdrücken: - Empfindungen durch

gesellschaflichen Tons uns weit voraus sind: – ihr Deutsche, wo haben wir sie denn? Ich muß mich ja schämen, einen Köster neben Allgarotti zu sezzen!



6.

Jetzt bitte ich einige Dichter etwas beyseit; mit denen ich ein Wort zu sprechen habe. Wenn bei sinnlichen Begriffen, bei Erfahrungsideen, bei einfachen Wahrheiten, und in der klaren Sprache des natürlichen Lebens der Gedanke am Ausdrucke so sehr klebt: so wird für den, der meistens aus dieser Quelle schöpfen muß, für den, der gleichsam der Oberherr dieser Sphäre gewesen, (wenigstens in der alten sinnlichen Zeit der Welt) für ihn, muß der Gedanke zum Ausdrucke sich verhalten, nicht wie der Körper zur Haut, die ihn umziehet; sondern wie die Seele zum Körper, den sie bewohnet: und so ists für den Dichter. Er soll Empfindungen ausdrücken: – Empfindungen durch

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[65/0017] gesellschaflichen Tons uns weit voraus sind: – ihr Deutsche, wo haben wir sie denn? Ich muß mich ja schämen, einen Köster neben Allgarotti zu sezzen! 6. Jetzt bitte ich einige Dichter etwas beyseit; mit denen ich ein Wort zu sprechen habe. Wenn bei sinnlichen Begriffen, bei Erfahrungsideen, bei einfachen Wahrheiten, und in der klaren Sprache des natürlichen Lebens der Gedanke am Ausdrucke so sehr klebt: so wird für den, der meistens aus dieser Quelle schöpfen muß, für den, der gleichsam der Oberherr dieser Sphäre gewesen, (wenigstens in der alten sinnlichen Zeit der Welt) für ihn, muß der Gedanke zum Ausdrucke sich verhalten, nicht wie der Körper zur Haut, die ihn umziehet; sondern wie die Seele zum Körper, den sie bewohnet: und so ists für den Dichter. Er soll Empfindungen ausdrücken: – Empfindungen durch

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kapitel 5; Kapitel 6. In: Über die neuere Deutsche Litteratur. […] Dritte Sammlung. Riga, 1767, S. 50–75, hier S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_gedanke_1767/17>, abgerufen am 25.04.2024.