Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite
37.

Leßings Emilia Galotti hat mich wie-
der einmal ins Theater gelockt; wie zufrie-
den ja gesättigt bin ich hinausgegangen!
Ein Theaterstück muß gesehen, nicht gele-
sen werden: denn wenn es ist, was es
seyn soll, so ist ja eben auf die Vorstel-
lung alles berechnet. Ich kann mir nicht
einbilden, daß wenn Stücke dieser Art,
(aber auch keine andre als solche) wöchent-
lich nur Einmal, auf die leidlich-vollkom-
menste Weise gegeben würden, und diese
Stücke lauter Stände und Situationen un-
srer Welt, wie dieses, enthielten, das Publi-
cum ungebildet, unerleuchtet bleiben könnte.


I 4
37.

Leßings Emilia Galotti hat mich wie-
der einmal ins Theater gelockt; wie zufrie-
den ja geſaͤttigt bin ich hinausgegangen!
Ein Theaterſtuͤck muß geſehen, nicht gele-
ſen werden: denn wenn es iſt, was es
ſeyn ſoll, ſo iſt ja eben auf die Vorſtel-
lung alles berechnet. Ich kann mir nicht
einbilden, daß wenn Stuͤcke dieſer Art,
(aber auch keine andre als ſolche) woͤchent-
lich nur Einmal, auf die leidlich-vollkom-
menſte Weiſe gegeben wuͤrden, und dieſe
Stuͤcke lauter Staͤnde und Situationen un-
ſrer Welt, wie dieſes, enthielten, das Publi-
cum ungebildet, unerleuchtet bleiben koͤnnte.


I 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0144" n="135"/>
      <div n="1">
        <head>37.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#g"><hi rendition="#in">L</hi>eßings</hi> Emilia Galotti hat mich wie-<lb/>
der einmal ins Theater gelockt; wie zufrie-<lb/>
den ja ge&#x017F;a&#x0364;ttigt bin ich hinausgegangen!<lb/>
Ein Theater&#x017F;tu&#x0364;ck muß ge&#x017F;ehen, nicht gele-<lb/>
&#x017F;en werden: denn wenn es i&#x017F;t, was es<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;oll, &#x017F;o i&#x017F;t ja eben auf die Vor&#x017F;tel-<lb/>
lung alles berechnet. Ich kann mir nicht<lb/>
einbilden, daß wenn Stu&#x0364;cke die&#x017F;er Art,<lb/>
(aber auch keine andre als &#x017F;olche) wo&#x0364;chent-<lb/>
lich nur Einmal, auf die leidlich-vollkom-<lb/>
men&#x017F;te Wei&#x017F;e gegeben wu&#x0364;rden, und die&#x017F;e<lb/>
Stu&#x0364;cke lauter Sta&#x0364;nde und Situationen un-<lb/>
&#x017F;rer Welt, wie die&#x017F;es, enthielten, das Publi-<lb/>
cum ungebildet, unerleuchtet bleiben ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">I 4</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0144] 37. Leßings Emilia Galotti hat mich wie- der einmal ins Theater gelockt; wie zufrie- den ja geſaͤttigt bin ich hinausgegangen! Ein Theaterſtuͤck muß geſehen, nicht gele- ſen werden: denn wenn es iſt, was es ſeyn ſoll, ſo iſt ja eben auf die Vorſtel- lung alles berechnet. Ich kann mir nicht einbilden, daß wenn Stuͤcke dieſer Art, (aber auch keine andre als ſolche) woͤchent- lich nur Einmal, auf die leidlich-vollkom- menſte Weiſe gegeben wuͤrden, und dieſe Stuͤcke lauter Staͤnde und Situationen un- ſrer Welt, wie dieſes, enthielten, das Publi- cum ungebildet, unerleuchtet bleiben koͤnnte. I 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/144
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/144>, abgerufen am 18.04.2024.