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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

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Hülfe und Feindschaft gegen Völker und
Menschen, in die Composition Homers an
Ruhe, Milde und hohe Ergebenheit brin-
gen, ist unsäglich. Man nehme diese
göttliche Farce, wie manche sie genannt
haben, (moron) aus seiner Iliade; und das
Ganze wird widrig oder platt, wie fast alle
politische Geschichte. Und doch ist alles
Zuwirken der Götter bei ihm so mensch-
lich, so natürlich! Nirgend ein zerstören-
des Wunder; allenthalben nur der Gang
des Menschengemüths, der Menschenkräfte,
sofern er ans Zufällige, ans Unvorgesehene,
ans Unendliche reichet. Was zumal die
Götter über die Sterblichen, und über
Achills Rosse sprechen, die einem Sterbli-
chen dienen, ist Seelezerschneidend.

Menschlicher Homer, wie liebe ich dich
in allen deinen Formen und Gestalten!
Auch Paris, auch die Sünderin Helena

hast

Huͤlfe und Feindſchaft gegen Voͤlker und
Menſchen, in die Compoſition Homers an
Ruhe, Milde und hohe Ergebenheit brin-
gen, iſt unſaͤglich. Man nehme dieſe
goͤttliche Farce, wie manche ſie genannt
haben, (μωϱον) aus ſeiner Iliade; und das
Ganze wird widrig oder platt, wie faſt alle
politiſche Geſchichte. Und doch iſt alles
Zuwirken der Goͤtter bei ihm ſo menſch-
lich, ſo natuͤrlich! Nirgend ein zerſtoͤren-
des Wunder; allenthalben nur der Gang
des Menſchengemuͤths, der Menſchenkraͤfte,
ſofern er ans Zufaͤllige, ans Unvorgeſehene,
ans Unendliche reichet. Was zumal die
Goͤtter uͤber die Sterblichen, und uͤber
Achills Roſſe ſprechen, die einem Sterbli-
chen dienen, iſt Seelezerſchneidend.

Menſchlicher Homer, wie liebe ich dich
in allen deinen Formen und Geſtalten!
Auch Paris, auch die Suͤnderin Helena

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[96/0105] Huͤlfe und Feindſchaft gegen Voͤlker und Menſchen, in die Compoſition Homers an Ruhe, Milde und hohe Ergebenheit brin- gen, iſt unſaͤglich. Man nehme dieſe goͤttliche Farce, wie manche ſie genannt haben, (μωϱον) aus ſeiner Iliade; und das Ganze wird widrig oder platt, wie faſt alle politiſche Geſchichte. Und doch iſt alles Zuwirken der Goͤtter bei ihm ſo menſch- lich, ſo natuͤrlich! Nirgend ein zerſtoͤren- des Wunder; allenthalben nur der Gang des Menſchengemuͤths, der Menſchenkraͤfte, ſofern er ans Zufaͤllige, ans Unvorgeſehene, ans Unendliche reichet. Was zumal die Goͤtter uͤber die Sterblichen, und uͤber Achills Roſſe ſprechen, die einem Sterbli- chen dienen, iſt Seelezerſchneidend. Menſchlicher Homer, wie liebe ich dich in allen deinen Formen und Geſtalten! Auch Paris, auch die Suͤnderin Helena haſt

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/105>, abgerufen am 19.04.2024.