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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

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reiner vorstand, oder als ob sie mehr Kraft
gehabt hätten, auch unter allen Unarten
der Zeit, ihre wahre Gestalt lebhafter an-
zuerkennen, stärker und reiner zu schildern;
wozu denn, nebst vielem andern, auch ihre
Sprache und der Begriff beitrug, den sie
sich von Poesie machten.

Doch nicht bei Poesie allein blieb diese
Bildung stehen; Trotz alles Harten und
Drückenden zeigt sie sich auch in der -
mischen Geschichte. Man lese im Cor-
nelius des Atticus, in Sallust Catili-
na's, in Tacitus Agrikola's Leben, vor
allen aber den letzten, den wegen seiner
dunkeln Härte so berüchtigten Tacitus;
und man müßte ein entschiedner Barbar
seyn, wenn man in ihnen die tiefen Züge
ächter Humanität nicht bemerkte. Tacitus
beschreibt die Gräuelvollsten Zeiten, die
lasterhaftsten Charaktere; er deckt einen

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reiner vorſtand, oder als ob ſie mehr Kraft
gehabt haͤtten, auch unter allen Unarten
der Zeit, ihre wahre Geſtalt lebhafter an-
zuerkennen, ſtaͤrker und reiner zu ſchildern;
wozu denn, nebſt vielem andern, auch ihre
Sprache und der Begriff beitrug, den ſie
ſich von Poeſie machten.

Doch nicht bei Poeſie allein blieb dieſe
Bildung ſtehen; Trotz alles Harten und
Druͤckenden zeigt ſie ſich auch in der Roͤ-
miſchen Geſchichte. Man leſe im Cor-
nelius des Atticus, in Salluſt Catili-
na's, in Tacitus Agrikola's Leben, vor
allen aber den letzten, den wegen ſeiner
dunkeln Haͤrte ſo beruͤchtigten Tacitus;
und man muͤßte ein entſchiedner Barbar
ſeyn, wenn man in ihnen die tiefen Zuͤge
aͤchter Humanitaͤt nicht bemerkte. Tacitus
beſchreibt die Graͤuelvollſten Zeiten, die
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[41/0050] reiner vorſtand, oder als ob ſie mehr Kraft gehabt haͤtten, auch unter allen Unarten der Zeit, ihre wahre Geſtalt lebhafter an- zuerkennen, ſtaͤrker und reiner zu ſchildern; wozu denn, nebſt vielem andern, auch ihre Sprache und der Begriff beitrug, den ſie ſich von Poeſie machten. Doch nicht bei Poeſie allein blieb dieſe Bildung ſtehen; Trotz alles Harten und Druͤckenden zeigt ſie ſich auch in der Roͤ- miſchen Geſchichte. Man leſe im Cor- nelius des Atticus, in Salluſt Catili- na's, in Tacitus Agrikola's Leben, vor allen aber den letzten, den wegen ſeiner dunkeln Haͤrte ſo beruͤchtigten Tacitus; und man muͤßte ein entſchiedner Barbar ſeyn, wenn man in ihnen die tiefen Zuͤge aͤchter Humanitaͤt nicht bemerkte. Tacitus beſchreibt die Graͤuelvollſten Zeiten, die laſterhaftſten Charaktere; er deckt einen C 5

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/50>, abgerufen am 25.04.2024.