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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

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vom stolzen Dünkel eines übermüthigen
Atriden; so entbrennet der Zwist, so folgt
die Erbitterung, bei der, (ich wage es zu
sagen) Achill auch im wildesten Feuer ge-
recht bleibet. Pallas erscheint ihm zu rech-
ter Zeit, ihn bei der blonden Haarlocke zu
ergreifen; und als der unbesonnene Fürst,
auch nachdem er Zeit zu besserer Ueberle-
gung gehabt hatte, sein unbefugtes Macht-
wort vollführet, und ihm sein Eigenthum,
seine geliebte Briseis raubet, beträgt sich
Achill gegen die Herolde mit einer hohen
Mäßigung. Ungern wie Briseis dahingeht,
sehn wir sie hingehn, und setzen uns mit
dem Gekränkten weinend ans Ufer. Da
hören wir ihn der Mutter klagen, und
theilen mit ihr den Jammer um einen so
herrlichen Sohn, den bei einem kurzen Le-
ben, ohne seine Schuld, diese öffentliche
Beleidigung, dieser Gram, dieser Unmuth

vom ſtolzen Duͤnkel eines uͤbermuͤthigen
Atriden; ſo entbrennet der Zwiſt, ſo folgt
die Erbitterung, bei der, (ich wage es zu
ſagen) Achill auch im wildeſten Feuer ge-
recht bleibet. Pallas erſcheint ihm zu rech-
ter Zeit, ihn bei der blonden Haarlocke zu
ergreifen; und als der unbeſonnene Fuͤrſt,
auch nachdem er Zeit zu beſſerer Ueberle-
gung gehabt hatte, ſein unbefugtes Macht-
wort vollfuͤhret, und ihm ſein Eigenthum,
ſeine geliebte Briſeis raubet, betraͤgt ſich
Achill gegen die Herolde mit einer hohen
Maͤßigung. Ungern wie Briſeis dahingeht,
ſehn wir ſie hingehn, und ſetzen uns mit
dem Gekraͤnkten weinend ans Ufer. Da
hoͤren wir ihn der Mutter klagen, und
theilen mit ihr den Jammer um einen ſo
herrlichen Sohn, den bei einem kurzen Le-
ben, ohne ſeine Schuld, dieſe oͤffentliche
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[84/0093] vom ſtolzen Duͤnkel eines uͤbermuͤthigen Atriden; ſo entbrennet der Zwiſt, ſo folgt die Erbitterung, bei der, (ich wage es zu ſagen) Achill auch im wildeſten Feuer ge- recht bleibet. Pallas erſcheint ihm zu rech- ter Zeit, ihn bei der blonden Haarlocke zu ergreifen; und als der unbeſonnene Fuͤrſt, auch nachdem er Zeit zu beſſerer Ueberle- gung gehabt hatte, ſein unbefugtes Macht- wort vollfuͤhret, und ihm ſein Eigenthum, ſeine geliebte Briſeis raubet, betraͤgt ſich Achill gegen die Herolde mit einer hohen Maͤßigung. Ungern wie Briſeis dahingeht, ſehn wir ſie hingehn, und ſetzen uns mit dem Gekraͤnkten weinend ans Ufer. Da hoͤren wir ihn der Mutter klagen, und theilen mit ihr den Jammer um einen ſo herrlichen Sohn, den bei einem kurzen Le- ben, ohne ſeine Schuld, dieſe oͤffentliche Beleidigung, dieſer Gram, dieſer Unmuth

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/93>, abgerufen am 28.03.2024.