Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

leichte und schwerere Weise ausüben, gesetzt,
daß sie auch keine neuen großen Resultate
erjagten, wären mir sehr gefällig. Ein
Mensch, der sich um Wahrheit bemühet,
ist immer Achtenswerth, wer bei unschuldi-
gen Bestrebungen nur Zwecke hat, ist nie
verächtlich, gesetzt, daß diese auch bei wei-
tem nicht Endzwecke wären. Denn was
ist Endzweck in der Welt? wo liegt das
Ende? Jedes gute Bestreben aber hat
seinen Zweck in sich.

Mögen die Philosophen alter und neuer
Zeiten keine einzige Wahrheit ausgemacht
haben, (welches doch ohne Wortspiel nicht
behauptet werden kann) gnug, sie bestreb-
ten sich um Wahrheit. Sie erweckten den
menschlichen Verstand, hielten ihn im Gange,
führten ihn weiter; alles, was er auf die-
sem Gange erfunden und geübt hat, haben
wir also der Philosophie zu danken, wenn

leichte und ſchwerere Weiſe ausuͤben, geſetzt,
daß ſie auch keine neuen großen Reſultate
erjagten, waͤren mir ſehr gefaͤllig. Ein
Menſch, der ſich um Wahrheit bemuͤhet,
iſt immer Achtenswerth, wer bei unſchuldi-
gen Beſtrebungen nur Zwecke hat, iſt nie
veraͤchtlich, geſetzt, daß dieſe auch bei wei-
tem nicht Endzwecke waͤren. Denn was
iſt Endzweck in der Welt? wo liegt das
Ende? Jedes gute Beſtreben aber hat
ſeinen Zweck in ſich.

Moͤgen die Philoſophen alter und neuer
Zeiten keine einzige Wahrheit ausgemacht
haben, (welches doch ohne Wortſpiel nicht
behauptet werden kann) gnug, ſie beſtreb-
ten ſich um Wahrheit. Sie erweckten den
menſchlichen Verſtand, hielten ihn im Gange,
fuͤhrten ihn weiter; alles, was er auf die-
ſem Gange erfunden und geuͤbt hat, haben
wir alſo der Philoſophie zu danken, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="138"/>
leichte und &#x017F;chwerere Wei&#x017F;e ausu&#x0364;ben, ge&#x017F;etzt,<lb/>
daß &#x017F;ie auch keine neuen großen Re&#x017F;ultate<lb/>
erjagten, wa&#x0364;ren mir &#x017F;ehr gefa&#x0364;llig. Ein<lb/>
Men&#x017F;ch, der &#x017F;ich um Wahrheit bemu&#x0364;het,<lb/>
i&#x017F;t immer Achtenswerth, wer bei un&#x017F;chuldi-<lb/>
gen Be&#x017F;trebungen nur Zwecke hat, i&#x017F;t nie<lb/>
vera&#x0364;chtlich, ge&#x017F;etzt, daß die&#x017F;e auch bei wei-<lb/>
tem nicht <hi rendition="#g">Endzwecke</hi> wa&#x0364;ren. Denn was<lb/>
i&#x017F;t Endzweck in der Welt? wo liegt das<lb/>
Ende? Jedes gute Be&#x017F;treben aber hat<lb/>
&#x017F;einen Zweck in &#x017F;ich.</p><lb/>
        <p>Mo&#x0364;gen die Philo&#x017F;ophen alter und neuer<lb/>
Zeiten keine einzige Wahrheit ausgemacht<lb/>
haben, (welches doch ohne Wort&#x017F;piel nicht<lb/>
behauptet werden kann) gnug, &#x017F;ie be&#x017F;treb-<lb/>
ten &#x017F;ich um Wahrheit. Sie erweckten den<lb/>
men&#x017F;chlichen Ver&#x017F;tand, hielten ihn im Gange,<lb/>
fu&#x0364;hrten ihn weiter; alles, was er auf die-<lb/>
&#x017F;em Gange erfunden und geu&#x0364;bt hat, haben<lb/>
wir al&#x017F;o der Philo&#x017F;ophie zu danken, wenn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0143] leichte und ſchwerere Weiſe ausuͤben, geſetzt, daß ſie auch keine neuen großen Reſultate erjagten, waͤren mir ſehr gefaͤllig. Ein Menſch, der ſich um Wahrheit bemuͤhet, iſt immer Achtenswerth, wer bei unſchuldi- gen Beſtrebungen nur Zwecke hat, iſt nie veraͤchtlich, geſetzt, daß dieſe auch bei wei- tem nicht Endzwecke waͤren. Denn was iſt Endzweck in der Welt? wo liegt das Ende? Jedes gute Beſtreben aber hat ſeinen Zweck in ſich. Moͤgen die Philoſophen alter und neuer Zeiten keine einzige Wahrheit ausgemacht haben, (welches doch ohne Wortſpiel nicht behauptet werden kann) gnug, ſie beſtreb- ten ſich um Wahrheit. Sie erweckten den menſchlichen Verſtand, hielten ihn im Gange, fuͤhrten ihn weiter; alles, was er auf die- ſem Gange erfunden und geuͤbt hat, haben wir alſo der Philoſophie zu danken, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/143
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/143>, abgerufen am 19.04.2024.