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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.

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ter kindliche Liebe und Dankbarkeit, Lob-
preisungen, Wünsche und Seufzer wei-
hen? Der Entfernete sehnet sich darnach
zurück, hoffnungsvoll oder klagend schauet
er zur Gegend desselben hin, empfängt die
Lüfte, die daher wehen, als Boten seiner
Geliebten. Wiedergegeben dem Vaterlan-
de, umfängt er es, und küsset seinen Bo-
den mit Thränen. Der in der Entfer-
nung Sterbende vermacht ihm noch seine
Asche; auch nur ein leeres Grabmahl des
Andenkens wünschet er sich bei den Sei-
nen. Fürs Vaterland zu leben hieß ihnen
der höchste Ruhm; fürs Vaterland zu ster-
ben der süßeste Tod. Wer mit Rath und
That dem Vaterlande aufhalf, wer es ret-
tete und mit Kränzen des Ruhms schmück-
te, erwarb sich einen Sitz unter den Göt-
tern; Himmels- und Erden-Unsterblich-
keit war ihm gewiß. Dagegen wer das

ter kindliche Liebe und Dankbarkeit, Lob-
preiſungen, Wuͤnſche und Seufzer wei-
hen? Der Entfernete ſehnet ſich darnach
zuruͤck, hoffnungsvoll oder klagend ſchauet
er zur Gegend deſſelben hin, empfaͤngt die
Luͤfte, die daher wehen, als Boten ſeiner
Geliebten. Wiedergegeben dem Vaterlan-
de, umfaͤngt er es, und kuͤſſet ſeinen Bo-
den mit Thraͤnen. Der in der Entfer-
nung Sterbende vermacht ihm noch ſeine
Aſche; auch nur ein leeres Grabmahl des
Andenkens wuͤnſchet er ſich bei den Sei-
nen. Fuͤrs Vaterland zu leben hieß ihnen
der hoͤchſte Ruhm; fuͤrs Vaterland zu ſter-
ben der ſuͤßeſte Tod. Wer mit Rath und
That dem Vaterlande aufhalf, wer es ret-
tete und mit Kraͤnzen des Ruhms ſchmuͤck-
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[125/0140] ter kindliche Liebe und Dankbarkeit, Lob- preiſungen, Wuͤnſche und Seufzer wei- hen? Der Entfernete ſehnet ſich darnach zuruͤck, hoffnungsvoll oder klagend ſchauet er zur Gegend deſſelben hin, empfaͤngt die Luͤfte, die daher wehen, als Boten ſeiner Geliebten. Wiedergegeben dem Vaterlan- de, umfaͤngt er es, und kuͤſſet ſeinen Bo- den mit Thraͤnen. Der in der Entfer- nung Sterbende vermacht ihm noch ſeine Aſche; auch nur ein leeres Grabmahl des Andenkens wuͤnſchet er ſich bei den Sei- nen. Fuͤrs Vaterland zu leben hieß ihnen der hoͤchſte Ruhm; fuͤrs Vaterland zu ſter- ben der ſuͤßeſte Tod. Wer mit Rath und That dem Vaterlande aufhalf, wer es ret- tete und mit Kraͤnzen des Ruhms ſchmuͤck- te, erwarb ſich einen Sitz unter den Goͤt- tern; Himmels- und Erden-Unſterblich- keit war ihm gewiß. Dagegen wer das

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/140>, abgerufen am 28.03.2024.