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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.

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mung und Gefälligkeit des Horaz anmu-
thig zu mildern. Manche Briefe, in denen
er seine Schwachheiten liebenswürdig be-
kennet und entschuldigt, ja gleichsam mit
seinem eignen Herzen spielet, sind ganz in
der Denkart Horaz geschrieben; und eine
sittliche Urbanität ist der Charakter
aller seiner Schriften.

Dies Gefühl also, nach welchem er ganz
unter den Alten lebte, webte den Faden
seiner Begebenheiten, und ward, wie man
sagt, der Schmid seines Glücks. Auf
eine niedrige Weise nach den Begriffen sei-
ner Zeit ein Glück machen, konnte und
wollte er nicht; er schlug dazu alle Gele-
genheiten aus, die er auch nicht zu brau-
chen gewußt hätte; dagegen erwarb er sich
eine Liebe und Anhänglichkeit, ein Ansehen
und einen Namen, über welchen man frö-
lich erstaunet. Welche Briefe und Anre-

mung und Gefaͤlligkeit des Horaz anmu-
thig zu mildern. Manche Briefe, in denen
er ſeine Schwachheiten liebenswuͤrdig be-
kennet und entſchuldigt, ja gleichſam mit
ſeinem eignen Herzen ſpielet, ſind ganz in
der Denkart Horaz geſchrieben; und eine
ſittliche Urbanitaͤt iſt der Charakter
aller ſeiner Schriften.

Dies Gefuͤhl alſo, nach welchem er ganz
unter den Alten lebte, webte den Faden
ſeiner Begebenheiten, und ward, wie man
ſagt, der Schmid ſeines Gluͤcks. Auf
eine niedrige Weiſe nach den Begriffen ſei-
ner Zeit ein Gluͤck machen, konnte und
wollte er nicht; er ſchlug dazu alle Gele-
genheiten aus, die er auch nicht zu brau-
chen gewußt haͤtte; dagegen erwarb er ſich
eine Liebe und Anhaͤnglichkeit, ein Anſehen
und einen Namen, uͤber welchen man froͤ-
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[14/0029] mung und Gefaͤlligkeit des Horaz anmu- thig zu mildern. Manche Briefe, in denen er ſeine Schwachheiten liebenswuͤrdig be- kennet und entſchuldigt, ja gleichſam mit ſeinem eignen Herzen ſpielet, ſind ganz in der Denkart Horaz geſchrieben; und eine ſittliche Urbanitaͤt iſt der Charakter aller ſeiner Schriften. Dies Gefuͤhl alſo, nach welchem er ganz unter den Alten lebte, webte den Faden ſeiner Begebenheiten, und ward, wie man ſagt, der Schmid ſeines Gluͤcks. Auf eine niedrige Weiſe nach den Begriffen ſei- ner Zeit ein Gluͤck machen, konnte und wollte er nicht; er ſchlug dazu alle Gele- genheiten aus, die er auch nicht zu brau- chen gewußt haͤtte; dagegen erwarb er ſich eine Liebe und Anhaͤnglichkeit, ein Anſehen und einen Namen, uͤber welchen man froͤ- lich erſtaunet. Welche Briefe und Anre-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/29>, abgerufen am 25.04.2024.