Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

lichen Ideals sittlicher Humanität
zerstreuet dalagen, und bildete seine Ma-
donna daraus, die irrdische und himmli-
sche Laura. Diese zeigte er in Wirkung
auf sich, auf sein eigen Herz, und zwar
in mancherlei Umständen, in Wirkung auf
seine Schwachheiten sowohl als auf die ed-
lere Seite seines Gemüths; hiedurch allein
ward sie anziehend und belehrend. Denn
eine Schönheit, die keine Liebe erregt, eine
Liebe, die nur Bewunderung ist, und ohne
Kampf mit sich, ohne Fehler und Schwach-
heiten seufzet, sind ohne Reiz und Anwen-
dung. Von allem Sittlich-Schönen im
weiblichen Charakter pflückte Petrarca die
Blüthe, und wand seiner irrdischen Freun-
din, die er vielleicht nur hie und da in
seiner Jugend gesehen haben mag, die ei-
nes andern Mannes Weib und Mutter
von Kindern war, die diese Gedichte viel-

lichen Ideals ſittlicher Humanitaͤt
zerſtreuet dalagen, und bildete ſeine Ma-
donna daraus, die irrdiſche und himmli-
ſche Laura. Dieſe zeigte er in Wirkung
auf ſich, auf ſein eigen Herz, und zwar
in mancherlei Umſtaͤnden, in Wirkung auf
ſeine Schwachheiten ſowohl als auf die ed-
lere Seite ſeines Gemuͤths; hiedurch allein
ward ſie anziehend und belehrend. Denn
eine Schoͤnheit, die keine Liebe erregt, eine
Liebe, die nur Bewunderung iſt, und ohne
Kampf mit ſich, ohne Fehler und Schwach-
heiten ſeufzet, ſind ohne Reiz und Anwen-
dung. Von allem Sittlich-Schoͤnen im
weiblichen Charakter pfluͤckte Petrarca die
Bluͤthe, und wand ſeiner irrdiſchen Freun-
din, die er vielleicht nur hie und da in
ſeiner Jugend geſehen haben mag, die ei-
nes andern Mannes Weib und Mutter
von Kindern war, die dieſe Gedichte viel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="18"/><hi rendition="#g">lichen Ideals &#x017F;ittlicher Humanita&#x0364;t</hi><lb/>
zer&#x017F;treuet dalagen, und bildete <hi rendition="#g">&#x017F;eine Ma</hi>-<lb/><hi rendition="#g">donna</hi> daraus, die irrdi&#x017F;che und himmli-<lb/>
&#x017F;che Laura. Die&#x017F;e zeigte er in Wirkung<lb/>
auf &#x017F;ich, auf &#x017F;ein eigen Herz, und zwar<lb/>
in mancherlei Um&#x017F;ta&#x0364;nden, in Wirkung auf<lb/>
&#x017F;eine Schwachheiten &#x017F;owohl als auf die ed-<lb/>
lere Seite &#x017F;eines Gemu&#x0364;ths; hiedurch allein<lb/>
ward &#x017F;ie anziehend und belehrend. Denn<lb/>
eine Scho&#x0364;nheit, die keine Liebe erregt, eine<lb/>
Liebe, die nur Bewunderung i&#x017F;t, und ohne<lb/>
Kampf mit &#x017F;ich, ohne Fehler und Schwach-<lb/>
heiten &#x017F;eufzet, &#x017F;ind ohne Reiz und Anwen-<lb/>
dung. Von allem Sittlich-Scho&#x0364;nen im<lb/>
weiblichen Charakter pflu&#x0364;ckte Petrarca die<lb/>
Blu&#x0364;the, und wand &#x017F;einer irrdi&#x017F;chen Freun-<lb/>
din, die er vielleicht nur hie und da in<lb/>
&#x017F;einer Jugend ge&#x017F;ehen haben mag, die ei-<lb/>
nes andern Mannes Weib und Mutter<lb/>
von Kindern war, die die&#x017F;e Gedichte viel-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0033] lichen Ideals ſittlicher Humanitaͤt zerſtreuet dalagen, und bildete ſeine Ma- donna daraus, die irrdiſche und himmli- ſche Laura. Dieſe zeigte er in Wirkung auf ſich, auf ſein eigen Herz, und zwar in mancherlei Umſtaͤnden, in Wirkung auf ſeine Schwachheiten ſowohl als auf die ed- lere Seite ſeines Gemuͤths; hiedurch allein ward ſie anziehend und belehrend. Denn eine Schoͤnheit, die keine Liebe erregt, eine Liebe, die nur Bewunderung iſt, und ohne Kampf mit ſich, ohne Fehler und Schwach- heiten ſeufzet, ſind ohne Reiz und Anwen- dung. Von allem Sittlich-Schoͤnen im weiblichen Charakter pfluͤckte Petrarca die Bluͤthe, und wand ſeiner irrdiſchen Freun- din, die er vielleicht nur hie und da in ſeiner Jugend geſehen haben mag, die ei- nes andern Mannes Weib und Mutter von Kindern war, die dieſe Gedichte viel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/33
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/33>, abgerufen am 24.04.2024.