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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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98.

Der Unterschied, den das Fragment zwi-
schen Poesie aus Reflexion und (wie
soll ich sie nennen?) der reinen Fabel-
poesie macht, ist mir aus der Geschichte
der Zeiten, auf die das Fragment weiset,
ganz erklärlich worden. So lange nämlich
der Dichter nichts seyn wollte, als Min-
strel, ein Sänger, der uns die Begeben-
heit selbst phantastisch vors Auge bringt
und solche mit seiner Harfe fast unmerk-
lich begleitet, so lange ladet der gleichsam
blinde Sänger uns zum unmittelbaren
Anschauen derselben ein. Nicht auf sich

98.

Der Unterſchied, den das Fragment zwi-
ſchen Poeſie aus Reflexion und (wie
ſoll ich ſie nennen?) der reinen Fabel-
poeſie macht, iſt mir aus der Geſchichte
der Zeiten, auf die das Fragment weiſet,
ganz erklaͤrlich worden. So lange naͤmlich
der Dichter nichts ſeyn wollte, als Min-
ſtrel, ein Saͤnger, der uns die Begeben-
heit ſelbſt phantaſtiſch vors Auge bringt
und ſolche mit ſeiner Harfe faſt unmerk-
lich begleitet, ſo lange ladet der gleichſam
blinde Saͤnger uns zum unmittelbaren
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[78/0097] 98. Der Unterſchied, den das Fragment zwi- ſchen Poeſie aus Reflexion und (wie ſoll ich ſie nennen?) der reinen Fabel- poeſie macht, iſt mir aus der Geſchichte der Zeiten, auf die das Fragment weiſet, ganz erklaͤrlich worden. So lange naͤmlich der Dichter nichts ſeyn wollte, als Min- ſtrel, ein Saͤnger, der uns die Begeben- heit ſelbſt phantaſtiſch vors Auge bringt und ſolche mit ſeiner Harfe faſt unmerk- lich begleitet, ſo lange ladet der gleichſam blinde Saͤnger uns zum unmittelbaren Anſchauen derſelben ein. Nicht auf ſich

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/97>, abgerufen am 23.04.2024.