Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

lohren; und nicht ihr, sondern sie tra-
gen die Schuld.

2. Ihr sehet, daß die Zeit das Blatt
wendet. Ein Theil des Französischen Ge-
schmacks, der Hofgeschmack nämlich, ist
bei den Franzosen selbst antiquiret.
Wartet, ob ihn die Deutschen beibehalten;
oder ob sie gar aus Mode Republikaner
werden. Deutsch-Französische Republika-
nerinnen und Republikaner!

3. Schmäht nicht; sondern bemitleidet,
schweiget, ehret; und wenn ihr es könnt,
belehret. Es ist ein pöbelhafter Wahn,
daß wir der obern Stände nicht bedör-
fen; wir bedörfen ihrer, wie sie unser be-
dörfen. Wir sollen ihr Auge, wir müssen
ihre Hand seyn; sie hingegen sinds, von
deren Willen und Meinung im Guten und
Bösen fast Alles abhängt. Zum Wohl
des Ganzen sind sie unentbehrlich. -- Eben

lohren; und nicht ihr, ſondern ſie tra-
gen die Schuld.

2. Ihr ſehet, daß die Zeit das Blatt
wendet. Ein Theil des Franzoͤſiſchen Ge-
ſchmacks, der Hofgeſchmack naͤmlich, iſt
bei den Franzoſen ſelbſt antiquiret.
Wartet, ob ihn die Deutſchen beibehalten;
oder ob ſie gar aus Mode Republikaner
werden. Deutſch-Franzoͤſiſche Republika-
nerinnen und Republikaner!

3. Schmaͤht nicht; ſondern bemitleidet,
ſchweiget, ehret; und wenn ihr es koͤnnt,
belehret. Es iſt ein poͤbelhafter Wahn,
daß wir der obern Staͤnde nicht bedoͤr-
fen; wir bedoͤrfen ihrer, wie ſie unſer be-
doͤrfen. Wir ſollen ihr Auge, wir muͤſſen
ihre Hand ſeyn; ſie hingegen ſinds, von
deren Willen und Meinung im Guten und
Boͤſen faſt Alles abhaͤngt. Zum Wohl
des Ganzen ſind ſie unentbehrlich. — Eben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="168"/><hi rendition="#g">lohren</hi>; und nicht ihr, &#x017F;ondern &#x017F;ie tra-<lb/>
gen die Schuld.</p><lb/>
        <p>2. Ihr &#x017F;ehet, daß die Zeit das Blatt<lb/>
wendet. Ein Theil des Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Ge-<lb/>
&#x017F;chmacks, der <hi rendition="#g">Hofge&#x017F;chmack</hi> na&#x0364;mlich, i&#x017F;t<lb/>
bei den Franzo&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#g">antiquiret</hi>.<lb/>
Wartet, ob ihn die Deut&#x017F;chen beibehalten;<lb/>
oder ob &#x017F;ie gar <hi rendition="#g">aus Mode</hi> Republikaner<lb/>
werden. Deut&#x017F;ch-Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Republika-<lb/>
nerinnen und Republikaner!</p><lb/>
        <p>3. Schma&#x0364;ht nicht; &#x017F;ondern bemitleidet,<lb/>
&#x017F;chweiget, ehret; und wenn ihr es ko&#x0364;nnt,<lb/>
belehret. Es i&#x017F;t ein po&#x0364;belhafter Wahn,<lb/>
daß wir der obern Sta&#x0364;nde <hi rendition="#g">nicht bedo&#x0364;r</hi>-<lb/><hi rendition="#g">fen</hi>; wir bedo&#x0364;rfen ihrer, wie &#x017F;ie un&#x017F;er be-<lb/>
do&#x0364;rfen. Wir &#x017F;ollen ihr Auge, wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ihre Hand &#x017F;eyn; &#x017F;ie hingegen &#x017F;inds, von<lb/>
deren Willen und Meinung im Guten und<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;en fa&#x017F;t Alles abha&#x0364;ngt. Zum Wohl<lb/>
des Ganzen &#x017F;ind &#x017F;ie unentbehrlich. &#x2014; Eben<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0175] lohren; und nicht ihr, ſondern ſie tra- gen die Schuld. 2. Ihr ſehet, daß die Zeit das Blatt wendet. Ein Theil des Franzoͤſiſchen Ge- ſchmacks, der Hofgeſchmack naͤmlich, iſt bei den Franzoſen ſelbſt antiquiret. Wartet, ob ihn die Deutſchen beibehalten; oder ob ſie gar aus Mode Republikaner werden. Deutſch-Franzoͤſiſche Republika- nerinnen und Republikaner! 3. Schmaͤht nicht; ſondern bemitleidet, ſchweiget, ehret; und wenn ihr es koͤnnt, belehret. Es iſt ein poͤbelhafter Wahn, daß wir der obern Staͤnde nicht bedoͤr- fen; wir bedoͤrfen ihrer, wie ſie unſer be- doͤrfen. Wir ſollen ihr Auge, wir muͤſſen ihre Hand ſeyn; ſie hingegen ſinds, von deren Willen und Meinung im Guten und Boͤſen faſt Alles abhaͤngt. Zum Wohl des Ganzen ſind ſie unentbehrlich. — Eben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/175
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/175>, abgerufen am 25.04.2024.