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[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.

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Erstes Wäldchen.
als Hr. L. meinet a); denn Häßlichkeit äußert sich
blos dem Auge; Ekel eigentlich nur dem G[e]-
schmacke.

Am mindesten also kann sich zur Nachahmung
das Ekelhafte vollkommen so, wie das Häßliche,
verhalten b). Lasset uns jede der dreierlei Nachah-
mungen des Lächerlichen, Häßlichen, Ekelhaften
durchfragen.

23.

Das Häßliche kann in der Dichtkunst gebraucht
werden, um das Lächerliche zu erwecken, und, wie
gesagt, hat die Dichtkunst alsdenn in Veranstal-
tung der Formen keine andre Einschränkung, als
Wahrscheinlichkeit und Gleichgewicht des Kontrasts,
nämlich das scheinbar Schöne. Aber das Häßli-
che, ein Jngrediens des Lächerlichen bei dem Maler?
Kann der Maler sein Häßliches in Kontrast des seyn
wollenden Schönen setzen, daß das Lächerliche her-
vorblickt: so wohl. Da dies aber selten ist, da selbst
bei der geistreichsten hogarthschen Composition die
Malerei immer augenscheinlicher häßliche For-
men, als den lächerlichen Kontrast durch häßliche
Formen schildert: so bleibt sie gleichsam körperlich,
um dem Dichter des Lächerlichen folgen zu können.

Der
a) Laok. p. 247.
b) Laok. 258.

Erſtes Waͤldchen.
als Hr. L. meinet a); denn Haͤßlichkeit aͤußert ſich
blos dem Auge; Ekel eigentlich nur dem G[e]-
ſchmacke.

Am mindeſten alſo kann ſich zur Nachahmung
das Ekelhafte vollkommen ſo, wie das Haͤßliche,
verhalten b). Laſſet uns jede der dreierlei Nachah-
mungen des Laͤcherlichen, Haͤßlichen, Ekelhaften
durchfragen.

23.

Das Haͤßliche kann in der Dichtkunſt gebraucht
werden, um das Laͤcherliche zu erwecken, und, wie
geſagt, hat die Dichtkunſt alsdenn in Veranſtal-
tung der Formen keine andre Einſchraͤnkung, als
Wahrſcheinlichkeit und Gleichgewicht des Kontraſts,
naͤmlich das ſcheinbar Schoͤne. Aber das Haͤßli-
che, ein Jngrediens des Laͤcherlichen bei dem Maler?
Kann der Maler ſein Haͤßliches in Kontraſt des ſeyn
wollenden Schoͤnen ſetzen, daß das Laͤcherliche her-
vorblickt: ſo wohl. Da dies aber ſelten iſt, da ſelbſt
bei der geiſtreichſten hogarthſchen Compoſition die
Malerei immer augenſcheinlicher haͤßliche For-
men, als den laͤcherlichen Kontraſt durch haͤßliche
Formen ſchildert: ſo bleibt ſie gleichſam koͤrperlich,
um dem Dichter des Laͤcherlichen folgen zu koͤnnen.

Der
a) Laok. p. 247.
b) Laok. 258.
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[271/0277] Erſtes Waͤldchen. als Hr. L. meinet a); denn Haͤßlichkeit aͤußert ſich blos dem Auge; Ekel eigentlich nur dem Ge- ſchmacke. Am mindeſten alſo kann ſich zur Nachahmung das Ekelhafte vollkommen ſo, wie das Haͤßliche, verhalten b). Laſſet uns jede der dreierlei Nachah- mungen des Laͤcherlichen, Haͤßlichen, Ekelhaften durchfragen. 23. Das Haͤßliche kann in der Dichtkunſt gebraucht werden, um das Laͤcherliche zu erwecken, und, wie geſagt, hat die Dichtkunſt alsdenn in Veranſtal- tung der Formen keine andre Einſchraͤnkung, als Wahrſcheinlichkeit und Gleichgewicht des Kontraſts, naͤmlich das ſcheinbar Schoͤne. Aber das Haͤßli- che, ein Jngrediens des Laͤcherlichen bei dem Maler? Kann der Maler ſein Haͤßliches in Kontraſt des ſeyn wollenden Schoͤnen ſetzen, daß das Laͤcherliche her- vorblickt: ſo wohl. Da dies aber ſelten iſt, da ſelbſt bei der geiſtreichſten hogarthſchen Compoſition die Malerei immer augenſcheinlicher haͤßliche For- men, als den laͤcherlichen Kontraſt durch haͤßliche Formen ſchildert: ſo bleibt ſie gleichſam koͤrperlich, um dem Dichter des Laͤcherlichen folgen zu koͤnnen. Der a) Laok. p. 247. b) Laok. 258.

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/277>, abgerufen am 20.04.2024.