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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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und von den sinnlichen Sprachen durch Ue-
bersezzungen und Nachbilden borgen; andern-
theils durch Reflexionen der Weltweisheit das
geborgte haushälterisch anwenden. Wir wer-
den für neue Bürger Vortheile ausmachen;
und nicht dem Spartanischen Eigensinn nach-
ahmen, der allen fremden Ankömmlingen
und Gebräuchen den Eintritt versagt; wir
werden aber auch, so wie die Akademie della
Crusca, und Johnson in seinem Wörterbuch,
die Landeskinder zählen, ordnen und gebrau-
chen, so daß die fremde Kolonien blos die
Mängel des Staats unterstüzzen dörfen. --
Man bilde also unsre Sprache durch Ueber-
sezzung und Reflexion.



Man sehe die meisten Vorschläge zur Bil-
dung der Sprache, und sie fallen in ein Aeus-
serstes, statt das Mittel zu halten. Einige
entwerfen einen Plan zur Philosophischen Spra-
che; andere wollen sie allein auf die dichteri-
sche Seite lenken. Daß, wenn beide etwas wir-
ken, beide einander die Stange halten, macht
das Glück unsrer Sprachenverbesserung.



5. Unter
C 4

und von den ſinnlichen Sprachen durch Ue-
berſezzungen und Nachbilden borgen; andern-
theils durch Reflexionen der Weltweisheit das
geborgte haushaͤlteriſch anwenden. Wir wer-
den fuͤr neue Buͤrger Vortheile ausmachen;
und nicht dem Spartaniſchen Eigenſinn nach-
ahmen, der allen fremden Ankoͤmmlingen
und Gebraͤuchen den Eintritt verſagt; wir
werden aber auch, ſo wie die Akademie della
Cruſca, und Johnſon in ſeinem Woͤrterbuch,
die Landeskinder zaͤhlen, ordnen und gebrau-
chen, ſo daß die fremde Kolonien blos die
Maͤngel des Staats unterſtuͤzzen doͤrfen. —
Man bilde alſo unſre Sprache durch Ueber-
ſezzung und Reflexion.



Man ſehe die meiſten Vorſchlaͤge zur Bil-
dung der Sprache, und ſie fallen in ein Aeuſ-
ſerſtes, ſtatt das Mittel zu halten. Einige
entwerfen einen Plan zur Philoſophiſchen Spra-
che; andere wollen ſie allein auf die dichteri-
ſche Seite lenken. Daß, wenn beide etwas wir-
ken, beide einander die Stange halten, macht
das Gluͤck unſrer Sprachenverbeſſerung.



5. Unter
C 4
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[39/0043] und von den ſinnlichen Sprachen durch Ue- berſezzungen und Nachbilden borgen; andern- theils durch Reflexionen der Weltweisheit das geborgte haushaͤlteriſch anwenden. Wir wer- den fuͤr neue Buͤrger Vortheile ausmachen; und nicht dem Spartaniſchen Eigenſinn nach- ahmen, der allen fremden Ankoͤmmlingen und Gebraͤuchen den Eintritt verſagt; wir werden aber auch, ſo wie die Akademie della Cruſca, und Johnſon in ſeinem Woͤrterbuch, die Landeskinder zaͤhlen, ordnen und gebrau- chen, ſo daß die fremde Kolonien blos die Maͤngel des Staats unterſtuͤzzen doͤrfen. — Man bilde alſo unſre Sprache durch Ueber- ſezzung und Reflexion. Man ſehe die meiſten Vorſchlaͤge zur Bil- dung der Sprache, und ſie fallen in ein Aeuſ- ſerſtes, ſtatt das Mittel zu halten. Einige entwerfen einen Plan zur Philoſophiſchen Spra- che; andere wollen ſie allein auf die dichteri- ſche Seite lenken. Daß, wenn beide etwas wir- ken, beide einander die Stange halten, macht das Gluͤck unſrer Sprachenverbeſſerung. 5. Unter C 4

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/43>, abgerufen am 25.04.2024.