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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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menschlicher Empfindungen und Thätigkei-
ten
in Gang gebracht -- er hat tausendfach
mehr gethan, als all ihr Raisonneurs über die
Gesetzgebung, bey denen alles wahr, und al-
les falsch -- ein elender allgemeiner Schat-
te
ist. --

Es war eine Zeit, da die Errichtung von
Akademien, Bibliotheken, Kunstsälen, Bil-
dung
der Welt hieß -- vortreflich! diese Aka-
demie ist der Name des Hofes, das würdige
Prytaneum verdienter Männer, eine Unter-
stützung
kostbarer Wissenschaften, ein vortref-
licher Saal am Geburtsfeste des Monar-
chen. -- Aber was die nun zur Bildung des
Landes, der Leute, der Unterthanen thue? Und
wenn sie alles thäte -- wie fern das Glückse-
ligkeit
gebe? Können diese Bildsänlen, und
wenn ihr sie an Weg und Pfosten stellt, jedem
Vorbeygehenden in einen Griechen verwandeln,
daß er sie so ansehe, so fühle, sich so in ihnen
fühle? Schwer! Können diese Gedichte, diese
schöne Vorlesungen nach attischer Art eine
Zeit schaffen, wo diese Gedichte und Reden
Wunder thaten
und würkten? Jch glaube
nein! und die sogenannten Wiederhersteller
der Wissenschaften, wenn auch Pabst und Kar-

dinäle
H



menſchlicher Empfindungen und Thaͤtigkei-
ten
in Gang gebracht — er hat tauſendfach
mehr gethan, als all ihr Raiſonneurs uͤber die
Geſetzgebung, bey denen alles wahr, und al-
les falſch — ein elender allgemeiner Schat-
te
iſt. —

Es war eine Zeit, da die Errichtung von
Akademien, Bibliotheken, Kunſtſaͤlen, Bil-
dung
der Welt hieß — vortreflich! dieſe Aka-
demie iſt der Name des Hofes, das wuͤrdige
Prytaneum verdienter Maͤnner, eine Unter-
ſtuͤtzung
koſtbarer Wiſſenſchaften, ein vortref-
licher Saal am Geburtsfeſte des Monar-
chen. — Aber was die nun zur Bildung des
Landes, der Leute, der Unterthanen thue? Und
wenn ſie alles thaͤte — wie fern das Gluͤckſe-
ligkeit
gebe? Koͤnnen dieſe Bildſaͤnlen, und
wenn ihr ſie an Weg und Pfoſten ſtellt, jedem
Vorbeygehenden in einen Griechen verwandeln,
daß er ſie ſo anſehe, ſo fuͤhle, ſich ſo in ihnen
fuͤhle? Schwer! Koͤnnen dieſe Gedichte, dieſe
ſchoͤne Vorleſungen nach attiſcher Art eine
Zeit ſchaffen, wo dieſe Gedichte und Reden
Wunder thaten
und wuͤrkten? Jch glaube
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der Wiſſenſchaften, wenn auch Pabſt und Kar-

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[113/0117] menſchlicher Empfindungen und Thaͤtigkei- ten in Gang gebracht — er hat tauſendfach mehr gethan, als all ihr Raiſonneurs uͤber die Geſetzgebung, bey denen alles wahr, und al- les falſch — ein elender allgemeiner Schat- te iſt. — Es war eine Zeit, da die Errichtung von Akademien, Bibliotheken, Kunſtſaͤlen, Bil- dung der Welt hieß — vortreflich! dieſe Aka- demie iſt der Name des Hofes, das wuͤrdige Prytaneum verdienter Maͤnner, eine Unter- ſtuͤtzung koſtbarer Wiſſenſchaften, ein vortref- licher Saal am Geburtsfeſte des Monar- chen. — Aber was die nun zur Bildung des Landes, der Leute, der Unterthanen thue? Und wenn ſie alles thaͤte — wie fern das Gluͤckſe- ligkeit gebe? Koͤnnen dieſe Bildſaͤnlen, und wenn ihr ſie an Weg und Pfoſten ſtellt, jedem Vorbeygehenden in einen Griechen verwandeln, daß er ſie ſo anſehe, ſo fuͤhle, ſich ſo in ihnen fuͤhle? Schwer! Koͤnnen dieſe Gedichte, dieſe ſchoͤne Vorleſungen nach attiſcher Art eine Zeit ſchaffen, wo dieſe Gedichte und Reden Wunder thaten und wuͤrkten? Jch glaube nein! und die ſogenannten Wiederherſteller der Wiſſenſchaften, wenn auch Pabſt und Kar- dinaͤle H

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/117>, abgerufen am 24.04.2024.