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Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878.

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liebige schwarzweiße Empfindung einen Dunkelheitswerth, welcher
sich mit ihrem Helligkeitswerthe zu 1 ergänzt.

Setzen wir die Länge der Linie s w (Fig. 3) = 1, so ent-
spricht für jede beliebige durch einen Punkt auf dieser Linie re-
präsentirte Empfindung der Abstand dieses Punktes von s dem
Helligkeitsgrade, der Abstand von w dem Dunkelheitsgrade der
Empfindung.

Wenn es nun auch in keinem Falle möglich ist, genau an-
zugeben, an welchen Punkt der Linie s w eine gegebene schwarz-
weiße Empfindung gehört, so sind wir doch im Stande die un-
gefähre Lage der Empfindung auf dieser Linie zu bestimmen.
Die Hauptsache aber ist, daß die hier gegebene numerische und
graphische Darstellung der ganzen Mannigfaltigkeit der zwischen
Schwarz und Weiß gelegenen Empfindungen uns für die folgen-
den Untersuchungen von großem Werthe und ein treffliches
Mittel zur Bezeichnung der Qualität, Helligkeit oder Dunkelheit
dieser Empfindungen sein wird.

Für besonders wichtig halte ich es ferner, daß durch diese
Art der Bezeichnung ganz anschaulich wird, in welchem Sinne
man allein berechtigt ist, von einer Intensität oder Helligkeit
der Lichtempfindung zu sprechen. Losgelöst von der Beziehung
zu dem gleichzeitig empfundenen Schwarz oder Dunkel hat die
Empfindung des Weißen oder Hellen keine reale Existenz. Denn
das absolut reine Weiß ist uns wie gesagt unbekannt, und keine
wirkliche Empfindung ist derart, daß wir behaupten könnten,
eine noch weißere oder hellere d. h. noch besser von jeder Spur
des Schattigen oder Dunkeln gereinigte Empfindung sei un-
möglich.

§. 23.
Die Empfindung des eigentlichen Schwarz entsteht
wie die des Weiß unter dem Einflusse des objectiven
Lichtes.

Nach dem gemeinen Sprachgebrauche ist Schwarz ebenso
gut eine Farbe wie Weiß, und man spricht von einem reinen
Schwarz ebenso wie von einem reinen Weiß. Auch die Physio-
logie hat sich bereits dazu verstanden, das Schwarz als eine
Empfindung zu bezeichnen, statt es, wie früher öfter geschah,

liebige schwarzweiße Empfindung einen Dunkelheitswerth, welcher
sich mit ihrem Helligkeitswerthe zu 1 ergänzt.

Setzen wir die Länge der Linie s w (Fig. 3) = 1, so ent-
spricht für jede beliebige durch einen Punkt auf dieser Linie re-
präsentirte Empfindung der Abstand dieses Punktes von s dem
Helligkeitsgrade, der Abstand von w dem Dunkelheitsgrade der
Empfindung.

Wenn es nun auch in keinem Falle möglich ist, genau an-
zugeben, an welchen Punkt der Linie s w eine gegebene schwarz-
weiße Empfindung gehört, so sind wir doch im Stande die un-
gefähre Lage der Empfindung auf dieser Linie zu bestimmen.
Die Hauptsache aber ist, daß die hier gegebene numerische und
graphische Darstellung der ganzen Mannigfaltigkeit der zwischen
Schwarz und Weiß gelegenen Empfindungen uns für die folgen-
den Untersuchungen von großem Werthe und ein treffliches
Mittel zur Bezeichnung der Qualität, Helligkeit oder Dunkelheit
dieser Empfindungen sein wird.

Für besonders wichtig halte ich es ferner, daß durch diese
Art der Bezeichnung ganz anschaulich wird, in welchem Sinne
man allein berechtigt ist, von einer Intensität oder Helligkeit
der Lichtempfindung zu sprechen. Losgelöst von der Beziehung
zu dem gleichzeitig empfundenen Schwarz oder Dunkel hat die
Empfindung des Weißen oder Hellen keine reale Existenz. Denn
das absolut reine Weiß ist uns wie gesagt unbekannt, und keine
wirkliche Empfindung ist derart, daß wir behaupten könnten,
eine noch weißere oder hellere d. h. noch besser von jeder Spur
des Schattigen oder Dunkeln gereinigte Empfindung sei un-
möglich.

§. 23.
Die Empfindung des eigentlichen Schwarz entsteht
wie die des Weiß unter dem Einflusse des objectiven
Lichtes.

Nach dem gemeinen Sprachgebrauche ist Schwarz ebenso
gut eine Farbe wie Weiß, und man spricht von einem reinen
Schwarz ebenso wie von einem reinen Weiß. Auch die Physio-
logie hat sich bereits dazu verstanden, das Schwarz als eine
Empfindung zu bezeichnen, statt es, wie früher öfter geschah,

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[62/0070] liebige schwarzweiße Empfindung einen Dunkelheitswerth, welcher sich mit ihrem Helligkeitswerthe zu 1 ergänzt. Setzen wir die Länge der Linie s w (Fig. 3) = 1, so ent- spricht für jede beliebige durch einen Punkt auf dieser Linie re- präsentirte Empfindung der Abstand dieses Punktes von s dem Helligkeitsgrade, der Abstand von w dem Dunkelheitsgrade der Empfindung. Wenn es nun auch in keinem Falle möglich ist, genau an- zugeben, an welchen Punkt der Linie s w eine gegebene schwarz- weiße Empfindung gehört, so sind wir doch im Stande die un- gefähre Lage der Empfindung auf dieser Linie zu bestimmen. Die Hauptsache aber ist, daß die hier gegebene numerische und graphische Darstellung der ganzen Mannigfaltigkeit der zwischen Schwarz und Weiß gelegenen Empfindungen uns für die folgen- den Untersuchungen von großem Werthe und ein treffliches Mittel zur Bezeichnung der Qualität, Helligkeit oder Dunkelheit dieser Empfindungen sein wird. Für besonders wichtig halte ich es ferner, daß durch diese Art der Bezeichnung ganz anschaulich wird, in welchem Sinne man allein berechtigt ist, von einer Intensität oder Helligkeit der Lichtempfindung zu sprechen. Losgelöst von der Beziehung zu dem gleichzeitig empfundenen Schwarz oder Dunkel hat die Empfindung des Weißen oder Hellen keine reale Existenz. Denn das absolut reine Weiß ist uns wie gesagt unbekannt, und keine wirkliche Empfindung ist derart, daß wir behaupten könnten, eine noch weißere oder hellere d. h. noch besser von jeder Spur des Schattigen oder Dunkeln gereinigte Empfindung sei un- möglich. §. 23. Die Empfindung des eigentlichen Schwarz entsteht wie die des Weiß unter dem Einflusse des objectiven Lichtes. Nach dem gemeinen Sprachgebrauche ist Schwarz ebenso gut eine Farbe wie Weiß, und man spricht von einem reinen Schwarz ebenso wie von einem reinen Weiß. Auch die Physio- logie hat sich bereits dazu verstanden, das Schwarz als eine Empfindung zu bezeichnen, statt es, wie früher öfter geschah,

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Zitationshilfe: Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/70>, abgerufen am 19.04.2024.