Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
XXXV.
Franz Dingelstedt's Jordanslied.
Die Nachtigall hat für den Aar gesungen,
Der, fortgeflogen aus dem Alpenlande,
Verschmachtend lag in unsrem deutschen Sande,
Weil er sich hatt' zu hoch hinangeschwungen.
Wem wäre nicht ihr Lied ans Herz gedrungen,
Ihr grollend, rührend Lied von unsrer Schande?
Doch sprecht, wann sind bei uns des Freien Bande
Von eines Sängers Liede je gesprungen?
Du sankest, schier ein Knecht, am Throne nieder,
Damit der Freie bälder auferstände;
Geh' hin, mein Freund, und frag' nach Jahren wieder!
Statt seiner Alpen bleiben ihm vier Wände;
Die Macht, sie lächelt über Deine Lieder,
Und wäscht noch, ein Pilatus, sich die Hände.
XXXV.
Franz Dingelſtedt's Jordanslied.
Die Nachtigall hat für den Aar geſungen,
Der, fortgeflogen aus dem Alpenlande,
Verſchmachtend lag in unſrem deutſchen Sande,
Weil er ſich hatt' zu hoch hinangeſchwungen.
Wem wäre nicht ihr Lied ans Herz gedrungen,
Ihr grollend, rührend Lied von unſrer Schande?
Doch ſprecht, wann ſind bei uns des Freien Bande
Von eines Sängers Liede je geſprungen?
Du ſankeſt, ſchier ein Knecht, am Throne nieder,
Damit der Freie bälder auferſtände;
Geh' hin, mein Freund, und frag' nach Jahren wieder!
Statt ſeiner Alpen bleiben ihm vier Wände;
Die Macht, ſie lächelt über Deine Lieder,
Und wäſcht noch, ein Pilatus, ſich die Hände.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0171" n="165"/>
          </div>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XXXV.</hi><lb/>
          </head>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Franz Dingel&#x017F;tedt's Jordanslied.</hi><lb/>
            </head>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Die Nachtigall hat für den Aar ge&#x017F;ungen,</l><lb/>
                <l>Der, fortgeflogen aus dem Alpenlande,</l><lb/>
                <l>Ver&#x017F;chmachtend lag in un&#x017F;rem deut&#x017F;chen Sande,</l><lb/>
                <l>Weil er &#x017F;ich hatt' zu hoch hinange&#x017F;chwungen.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="2">
                <l>Wem wäre nicht ihr Lied ans Herz gedrungen,</l><lb/>
                <l>Ihr grollend, rührend Lied von un&#x017F;rer Schande?</l><lb/>
                <l>Doch &#x017F;precht, wann &#x017F;ind bei uns des Freien Bande</l><lb/>
                <l>Von eines Sängers Liede je ge&#x017F;prungen?</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Du &#x017F;anke&#x017F;t, &#x017F;chier ein Knecht, am Throne nieder,</l><lb/>
                <l>Damit der Freie bälder aufer&#x017F;tände;</l><lb/>
                <l>Geh' hin, mein Freund, und frag' nach Jahren wieder!</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Statt &#x017F;einer Alpen <hi rendition="#g">bleiben</hi> ihm vier Wände;</l><lb/>
                <l>Die Macht, &#x017F;ie lächelt über Deine Lieder,</l><lb/>
                <l>Und wä&#x017F;cht noch, ein Pilatus, &#x017F;ich die Hände.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0171] XXXV. Franz Dingelſtedt's Jordanslied. Die Nachtigall hat für den Aar geſungen, Der, fortgeflogen aus dem Alpenlande, Verſchmachtend lag in unſrem deutſchen Sande, Weil er ſich hatt' zu hoch hinangeſchwungen. Wem wäre nicht ihr Lied ans Herz gedrungen, Ihr grollend, rührend Lied von unſrer Schande? Doch ſprecht, wann ſind bei uns des Freien Bande Von eines Sängers Liede je geſprungen? Du ſankeſt, ſchier ein Knecht, am Throne nieder, Damit der Freie bälder auferſtände; Geh' hin, mein Freund, und frag' nach Jahren wieder! Statt ſeiner Alpen bleiben ihm vier Wände; Die Macht, ſie lächelt über Deine Lieder, Und wäſcht noch, ein Pilatus, ſich die Hände.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/171
Zitationshilfe: [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/171>, abgerufen am 19.04.2024.