Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

wohnen, so werden wir ihnen einen ehrenvollen Schutz und die
Rechtsgleichheit gewähren. Wir haben die Toleranz in Europa
gelernt. Ich sage das nicht einmal spöttisch. Den jetzigen Antisemitismus
kann man nur an vereinzelten Orten für die alte
religiöse Intoleranz halten. Zumeist ist er bei den Culturvölkern
eine Bewegung, mit der sie ein Gespenst ihrer eigenen Vergangenheit
abwehren möchten.



Gesetze.

Wenn die Verwirklichung des Staatsgedankens näher rückt,
wird die Society of Jews gesetzgeberische Vorarbeiten machen
lassen durch ein Juristencollegium. Für die Uebergangszeit
lässt sich der Grundsatz annehmen, dass Jeder der aus den
verschiedenen Ländern einwandernden Juden nach seinen bisherigen
Landesgesetzen zu beurtheilen sei. Bald ist die Rechtseinheit
anzustreben. Es müssen moderne Gesetze sein, auch da
überall das Beste zu verwenden. Es kann eine vorbildliche
Codification werden, durchdrungen von allen gerechten socialen
Forderungen der Gegenwart.



Das Heer.

Der Judenstaat ist als ein neutraler gedacht. Er braucht
nur ein Berufsheer - allerdings ein mit sämmtlichen modernen
Kriegsmitteln ausgerüstetes - zur Aufrechterhaltung der Ordnung
nach Aussen, wie nach Innen.



Die Fahne.

Wir haben keine Fahne. Wir brauchen eine. Wenn man
viele Menschen führen will, muss man ein Symbol über ihre
Häupter erheben.

Ich denke mir eine weisse Fahne, mit sieben goldenen
Sternen. Das weisse Feld bedeutet das neue, reine Leben; die

wohnen, so werden wir ihnen einen ehrenvollen Schutz und die
Rechtsgleichheit gewähren. Wir haben die Toleranz in Europa
gelernt. Ich sage das nicht einmal spöttisch. Den jetzigen Antisemitismus
kann man nur an vereinzelten Orten für die alte
religiöse Intoleranz halten. Zumeist ist er bei den Culturvölkern
eine Bewegung, mit der sie ein Gespenst ihrer eigenen Vergangenheit
abwehren möchten.



Gesetze.

Wenn die Verwirklichung des Staatsgedankens näher rückt,
wird die Society of Jews gesetzgeberische Vorarbeiten machen
lassen durch ein Juristencollegium. Für die Uebergangszeit
lässt sich der Grundsatz annehmen, dass Jeder der aus den
verschiedenen Ländern einwandernden Juden nach seinen bisherigen
Landesgesetzen zu beurtheilen sei. Bald ist die Rechtseinheit
anzustreben. Es müssen moderne Gesetze sein, auch da
überall das Beste zu verwenden. Es kann eine vorbildliche
Codification werden, durchdrungen von allen gerechten socialen
Forderungen der Gegenwart.



Das Heer.

Der Judenstaat ist als ein neutraler gedacht. Er braucht
nur ein Berufsheer – allerdings ein mit sämmtlichen modernen
Kriegsmitteln ausgerüstetes – zur Aufrechterhaltung der Ordnung
nach Aussen, wie nach Innen.



Die Fahne.

Wir haben keine Fahne. Wir brauchen eine. Wenn man
viele Menschen führen will, muss man ein Symbol über ihre
Häupter erheben.

Ich denke mir eine weisse Fahne, mit sieben goldenen
Sternen. Das weisse Feld bedeutet das neue, reine Leben; die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0076"/>
wohnen, so werden wir ihnen einen ehrenvollen Schutz und die<lb/>
Rechtsgleichheit gewähren. Wir haben die Toleranz in Europa<lb/>
gelernt. Ich sage das nicht einmal spöttisch. Den jetzigen Antisemitismus<lb/>
kann man nur an vereinzelten Orten für die alte<lb/>
religiöse Intoleranz halten. Zumeist ist er bei den Culturvölkern<lb/>
eine Bewegung, mit der sie ein Gespenst ihrer eigenen Vergangenheit<lb/>
abwehren möchten.<lb/></p>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Gesetze.<lb/></head>
          <p>Wenn die Verwirklichung des Staatsgedankens näher rückt,<lb/>
wird die Society of Jews gesetzgeberische Vorarbeiten machen<lb/>
lassen durch ein Juristencollegium. Für die Uebergangszeit<lb/>
lässt sich der Grundsatz annehmen, dass Jeder der aus den<lb/>
verschiedenen Ländern einwandernden Juden nach seinen bisherigen<lb/>
Landesgesetzen zu beurtheilen sei. Bald ist die Rechtseinheit<lb/>
anzustreben. Es müssen moderne Gesetze sein, auch da<lb/>
überall das Beste zu verwenden. Es kann eine vorbildliche<lb/>
Codification werden, durchdrungen von allen gerechten socialen<lb/>
Forderungen der Gegenwart.<lb/></p>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Das Heer.<lb/></head>
          <p>Der Judenstaat ist als ein neutraler gedacht. Er braucht<lb/>
nur ein Berufsheer &#x2013; allerdings ein mit sämmtlichen modernen<lb/>
Kriegsmitteln ausgerüstetes &#x2013; zur Aufrechterhaltung der Ordnung<lb/>
nach Aussen, wie nach Innen.<lb/></p>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Die Fahne.<lb/></head>
          <p>Wir haben keine Fahne. Wir brauchen eine. Wenn man<lb/>
viele Menschen führen will, muss man ein Symbol über ihre<lb/>
Häupter erheben.<lb/></p>
          <p>Ich denke mir eine weisse Fahne, mit sieben goldenen<lb/>
Sternen. Das weisse Feld bedeutet das neue, reine Leben; die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0076] wohnen, so werden wir ihnen einen ehrenvollen Schutz und die Rechtsgleichheit gewähren. Wir haben die Toleranz in Europa gelernt. Ich sage das nicht einmal spöttisch. Den jetzigen Antisemitismus kann man nur an vereinzelten Orten für die alte religiöse Intoleranz halten. Zumeist ist er bei den Culturvölkern eine Bewegung, mit der sie ein Gespenst ihrer eigenen Vergangenheit abwehren möchten. Gesetze. Wenn die Verwirklichung des Staatsgedankens näher rückt, wird die Society of Jews gesetzgeberische Vorarbeiten machen lassen durch ein Juristencollegium. Für die Uebergangszeit lässt sich der Grundsatz annehmen, dass Jeder der aus den verschiedenen Ländern einwandernden Juden nach seinen bisherigen Landesgesetzen zu beurtheilen sei. Bald ist die Rechtseinheit anzustreben. Es müssen moderne Gesetze sein, auch da überall das Beste zu verwenden. Es kann eine vorbildliche Codification werden, durchdrungen von allen gerechten socialen Forderungen der Gegenwart. Das Heer. Der Judenstaat ist als ein neutraler gedacht. Er braucht nur ein Berufsheer – allerdings ein mit sämmtlichen modernen Kriegsmitteln ausgerüstetes – zur Aufrechterhaltung der Ordnung nach Aussen, wie nach Innen. Die Fahne. Wir haben keine Fahne. Wir brauchen eine. Wenn man viele Menschen führen will, muss man ein Symbol über ihre Häupter erheben. Ich denke mir eine weisse Fahne, mit sieben goldenen Sternen. Das weisse Feld bedeutet das neue, reine Leben; die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Austrian Literature Online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen.
  • Der Zeilenfall wurde beibehalten, die Silbentrennung aber wurde aufgehoben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/76
Zitationshilfe: Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/76>, abgerufen am 19.04.2024.