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Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Friedrich August von Heyden, geboren den 3. September 1789 auf dem väterlichen Gute Merfken bei Heilsberg in Ostpreußen, studirte in Königsberg, Berlin und Göttingen, trat 1813 als Freiwilliger in das Heer, dann in den Staatsdienst und starb den 5. November 1851 zu Breslau. In den vierziger Jahren hätte er als Regierungsrath das Censoramt übernehmen sollen, lehnte es aber entschieden ab, zuletzt mit der Erklärung, daß er nie etwas streichen werde. Friedrich von Heyden (nicht zu verwechseln mit dem Namensgenossen, der gleichzeitig pseudonym als Emerentius Scävola "die Lesewelt vielfach beschäftigte") darf zu den bedeutenderen Schriftstellern seiner Zeit gerechnet werden, obgleich er nie der Gunst des Tages sich zu erfreuen hatte; von seinen zahlreichen Dichtungen ist die poetische Erzählung "Das Wort der Frau" vornehmlich bekannt geworden und lebt in wiederholten Auflagen fort. Seine Novellen, auch die wo die schöpferische Kraft minder stark hervortritt, verrathen durchweg einen feingebildeten Geist. Die Tieck'sche Schule verbirgt sich darin nicht, wiewohl der Dichter seine Selbständigkeit behauptet. Auch er hat über den Begriff der Novelle gesonnen. Es sei so viel hierüber geschrieben, sagt er in dem Vorwort zu den "Randzeichnungen", aber trotzdem finde man sich so klug als zuvor. Er selbst, auf einen Ausspruch seines Verwandten Hippel sich stützend, ist geneigt, eine Geschichte, in der man mehr sieht als hört, in der unmittelbar "gewandelt und gehandelt" wird, Novelle, dagegen eine Geschichte, die nicht mit eigenen, sondern mit des Erzählers Worten redet, Erzählung zu nennen; so daß jene mehr dramatisch, diese mehr episch wäre. Wir lassen diese Theorie auf sich beruhen, um so mehr als auch der

Friedrich August von Heyden, geboren den 3. September 1789 auf dem väterlichen Gute Merfken bei Heilsberg in Ostpreußen, studirte in Königsberg, Berlin und Göttingen, trat 1813 als Freiwilliger in das Heer, dann in den Staatsdienst und starb den 5. November 1851 zu Breslau. In den vierziger Jahren hätte er als Regierungsrath das Censoramt übernehmen sollen, lehnte es aber entschieden ab, zuletzt mit der Erklärung, daß er nie etwas streichen werde. Friedrich von Heyden (nicht zu verwechseln mit dem Namensgenossen, der gleichzeitig pseudonym als Emerentius Scävola „die Lesewelt vielfach beschäftigte“) darf zu den bedeutenderen Schriftstellern seiner Zeit gerechnet werden, obgleich er nie der Gunst des Tages sich zu erfreuen hatte; von seinen zahlreichen Dichtungen ist die poetische Erzählung „Das Wort der Frau“ vornehmlich bekannt geworden und lebt in wiederholten Auflagen fort. Seine Novellen, auch die wo die schöpferische Kraft minder stark hervortritt, verrathen durchweg einen feingebildeten Geist. Die Tieck'sche Schule verbirgt sich darin nicht, wiewohl der Dichter seine Selbständigkeit behauptet. Auch er hat über den Begriff der Novelle gesonnen. Es sei so viel hierüber geschrieben, sagt er in dem Vorwort zu den „Randzeichnungen“, aber trotzdem finde man sich so klug als zuvor. Er selbst, auf einen Ausspruch seines Verwandten Hippel sich stützend, ist geneigt, eine Geschichte, in der man mehr sieht als hört, in der unmittelbar „gewandelt und gehandelt“ wird, Novelle, dagegen eine Geschichte, die nicht mit eigenen, sondern mit des Erzählers Worten redet, Erzählung zu nennen; so daß jene mehr dramatisch, diese mehr episch wäre. Wir lassen diese Theorie auf sich beruhen, um so mehr als auch der

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[0005] Friedrich August von Heyden, geboren den 3. September 1789 auf dem väterlichen Gute Merfken bei Heilsberg in Ostpreußen, studirte in Königsberg, Berlin und Göttingen, trat 1813 als Freiwilliger in das Heer, dann in den Staatsdienst und starb den 5. November 1851 zu Breslau. In den vierziger Jahren hätte er als Regierungsrath das Censoramt übernehmen sollen, lehnte es aber entschieden ab, zuletzt mit der Erklärung, daß er nie etwas streichen werde. Friedrich von Heyden (nicht zu verwechseln mit dem Namensgenossen, der gleichzeitig pseudonym als Emerentius Scävola „die Lesewelt vielfach beschäftigte“) darf zu den bedeutenderen Schriftstellern seiner Zeit gerechnet werden, obgleich er nie der Gunst des Tages sich zu erfreuen hatte; von seinen zahlreichen Dichtungen ist die poetische Erzählung „Das Wort der Frau“ vornehmlich bekannt geworden und lebt in wiederholten Auflagen fort. Seine Novellen, auch die wo die schöpferische Kraft minder stark hervortritt, verrathen durchweg einen feingebildeten Geist. Die Tieck'sche Schule verbirgt sich darin nicht, wiewohl der Dichter seine Selbständigkeit behauptet. Auch er hat über den Begriff der Novelle gesonnen. Es sei so viel hierüber geschrieben, sagt er in dem Vorwort zu den „Randzeichnungen“, aber trotzdem finde man sich so klug als zuvor. Er selbst, auf einen Ausspruch seines Verwandten Hippel sich stützend, ist geneigt, eine Geschichte, in der man mehr sieht als hört, in der unmittelbar „gewandelt und gehandelt“ wird, Novelle, dagegen eine Geschichte, die nicht mit eigenen, sondern mit des Erzählers Worten redet, Erzählung zu nennen; so daß jene mehr dramatisch, diese mehr episch wäre. Wir lassen diese Theorie auf sich beruhen, um so mehr als auch der

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Zitationshilfe: Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/5>, abgerufen am 28.03.2024.