Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Colonieen ein besseres Loos und begab sich nach Jamaica, um dort sein Glück zu versuchen. Indeß die kargen Mittel, die ihm, in Folge einer kleinen Erbschaft von einem Seitenverwandten, zu Gebote standen, reichten nicht hin, ihm einen zureichenden Erwerb auf sicherem Wege zu verschaffen; er ließ sich daher in gewagte Geschäfte ein, verlor Alles und sah sich genöthigt, um nur sein Leben zu fristen, in die Dienste eines reichen kinderlosen Pflanzers zu treten. Alle Mißhandlungen, wodurch der Uebermuth des Reichthums stolze Armuth in ohnmächtige Wuth versetzen kann, mußte der unglückliche Robert hier mehrere Jahre lang erdulden. Sein Gemüth wurde dadurch zu einem Menschenhaß vergiftet, der um so glühender im Innern hervorwuchs, je weniger er äußerlich sich zeigen durfte. Der unmenschliche Principal erlitt einige große Verluste, die ihn in seinem Vermögen, nicht aber in seinen Ansprüchen heruntersetzten. Eine zweifelhafte Forderung von ziemlichem Belange zu Boston schien ein Hauptmittel zur Erhaltung seines Credits, und er schickte Robert nach jenem Handelsplatze, um sie beizutreiben. Dieser war wirklich so glücklich, die Summe, welche lange schon aufgegeben war, zum größten Theile zu erstreiten. Er meldete dem Principal dieses glückliche Ereigniß, wofür er Dank und Lobsprüche erwartete; wer schildert aber sein Entsetzen, als die Antwort seines unwürdigen Machtgebers ihn selbst mit dem entehrenden Namen eines Betrügers be-

in den Colonieen ein besseres Loos und begab sich nach Jamaica, um dort sein Glück zu versuchen. Indeß die kargen Mittel, die ihm, in Folge einer kleinen Erbschaft von einem Seitenverwandten, zu Gebote standen, reichten nicht hin, ihm einen zureichenden Erwerb auf sicherem Wege zu verschaffen; er ließ sich daher in gewagte Geschäfte ein, verlor Alles und sah sich genöthigt, um nur sein Leben zu fristen, in die Dienste eines reichen kinderlosen Pflanzers zu treten. Alle Mißhandlungen, wodurch der Uebermuth des Reichthums stolze Armuth in ohnmächtige Wuth versetzen kann, mußte der unglückliche Robert hier mehrere Jahre lang erdulden. Sein Gemüth wurde dadurch zu einem Menschenhaß vergiftet, der um so glühender im Innern hervorwuchs, je weniger er äußerlich sich zeigen durfte. Der unmenschliche Principal erlitt einige große Verluste, die ihn in seinem Vermögen, nicht aber in seinen Ansprüchen heruntersetzten. Eine zweifelhafte Forderung von ziemlichem Belange zu Boston schien ein Hauptmittel zur Erhaltung seines Credits, und er schickte Robert nach jenem Handelsplatze, um sie beizutreiben. Dieser war wirklich so glücklich, die Summe, welche lange schon aufgegeben war, zum größten Theile zu erstreiten. Er meldete dem Principal dieses glückliche Ereigniß, wofür er Dank und Lobsprüche erwartete; wer schildert aber sein Entsetzen, als die Antwort seines unwürdigen Machtgebers ihn selbst mit dem entehrenden Namen eines Betrügers be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0035"/>
in den Colonieen ein besseres Loos                und begab sich nach Jamaica, um dort sein Glück zu versuchen. Indeß die kargen                Mittel, die ihm, in Folge einer kleinen Erbschaft von einem Seitenverwandten, zu                Gebote standen, reichten nicht hin, ihm einen zureichenden Erwerb auf sicherem Wege                zu verschaffen; er ließ sich daher in gewagte Geschäfte ein, verlor Alles und sah                sich genöthigt, um nur sein Leben zu fristen, in die Dienste eines reichen                kinderlosen Pflanzers zu treten. Alle Mißhandlungen, wodurch der Uebermuth des                Reichthums stolze Armuth in ohnmächtige Wuth versetzen kann, mußte der unglückliche                Robert hier mehrere Jahre lang erdulden. Sein Gemüth wurde dadurch zu einem                Menschenhaß vergiftet, der um so glühender im Innern hervorwuchs, je weniger er                äußerlich sich zeigen durfte. Der unmenschliche Principal erlitt einige große                Verluste, die ihn in seinem Vermögen, nicht aber in seinen Ansprüchen                heruntersetzten. Eine zweifelhafte Forderung von ziemlichem Belange zu Boston schien                ein Hauptmittel zur Erhaltung seines Credits, und er schickte Robert nach jenem                Handelsplatze, um sie beizutreiben. Dieser war wirklich so glücklich, die Summe,                welche lange schon aufgegeben war, zum größten Theile zu erstreiten. Er meldete dem                Principal dieses glückliche Ereigniß, wofür er Dank und Lobsprüche erwartete; wer                schildert aber sein Entsetzen, als die Antwort seines unwürdigen Machtgebers ihn                selbst mit dem entehrenden Namen eines Betrügers be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] in den Colonieen ein besseres Loos und begab sich nach Jamaica, um dort sein Glück zu versuchen. Indeß die kargen Mittel, die ihm, in Folge einer kleinen Erbschaft von einem Seitenverwandten, zu Gebote standen, reichten nicht hin, ihm einen zureichenden Erwerb auf sicherem Wege zu verschaffen; er ließ sich daher in gewagte Geschäfte ein, verlor Alles und sah sich genöthigt, um nur sein Leben zu fristen, in die Dienste eines reichen kinderlosen Pflanzers zu treten. Alle Mißhandlungen, wodurch der Uebermuth des Reichthums stolze Armuth in ohnmächtige Wuth versetzen kann, mußte der unglückliche Robert hier mehrere Jahre lang erdulden. Sein Gemüth wurde dadurch zu einem Menschenhaß vergiftet, der um so glühender im Innern hervorwuchs, je weniger er äußerlich sich zeigen durfte. Der unmenschliche Principal erlitt einige große Verluste, die ihn in seinem Vermögen, nicht aber in seinen Ansprüchen heruntersetzten. Eine zweifelhafte Forderung von ziemlichem Belange zu Boston schien ein Hauptmittel zur Erhaltung seines Credits, und er schickte Robert nach jenem Handelsplatze, um sie beizutreiben. Dieser war wirklich so glücklich, die Summe, welche lange schon aufgegeben war, zum größten Theile zu erstreiten. Er meldete dem Principal dieses glückliche Ereigniß, wofür er Dank und Lobsprüche erwartete; wer schildert aber sein Entsetzen, als die Antwort seines unwürdigen Machtgebers ihn selbst mit dem entehrenden Namen eines Betrügers be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:12:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:12:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/35
Zitationshilfe: Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/35>, abgerufen am 28.03.2024.