Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

serer Seligen hätten. Der Sturmwind, wenn
er daher fuhr, und die Kirchenlinden absplit-
terte, und Aeste brach, schonte der Blumen
auf dieser heiligen Stäte. Sie war jedem
heilig, wie die Pforte des Himmels. --

Ich glaube, meine Leser verlieren bey die-
sem Auszuge: denn das weitschweifige Origi-
nal hatte Stellen, die schrecklich waren.

Unser Bekannte war durch diesen denk-
würdigen Tod noch nicht auf Bußgedanken
gebracht. Er konnte Charlottens Leiche so
gar folgen, ohne eine Thräne fallen zu lassen!

Das nenn ich, sagte Herr v. G., Ge-
richt der Verstockung
! Die Trostlosigkeit des
Mannes unsrer Charlotten bestätigte das Vor-
urtheil, daß er Charlotten unglücklich ge-
macht hätte. Man hielt es für Gewissens-
bisse. Die Umständ' ihres Todes, die un-
serm Bekannten, wiewohl zum größten Theil
sehr unrichtig und nur beyläufig, erzählet
worden, bestätigten diesen unerhörten Wahn.
-- Da Charlott' ihrem Ungetreuen auswich,
und ihn nicht anders, als in ihrem Herzen
sah, so unterhielt alles die Ruhe unseres Be-
kannten, um mich desto unruhiger zu ma-
chen
(Dies sind seine eigene Worte.)

Der
Zweiter Th. G

ſerer Seligen haͤtten. Der Sturmwind, wenn
er daher fuhr, und die Kirchenlinden abſplit-
terte, und Aeſte brach, ſchonte der Blumen
auf dieſer heiligen Staͤte. Sie war jedem
heilig, wie die Pforte des Himmels. —

Ich glaube, meine Leſer verlieren bey die-
ſem Auszuge: denn das weitſchweifige Origi-
nal hatte Stellen, die ſchrecklich waren.

Unſer Bekannte war durch dieſen denk-
wuͤrdigen Tod noch nicht auf Bußgedanken
gebracht. Er konnte Charlottens Leiche ſo
gar folgen, ohne eine Thraͤne fallen zu laſſen!

Das nenn ich, ſagte Herr v. G., Ge-
richt der Verſtockung
! Die Troſtloſigkeit des
Mannes unſrer Charlotten beſtaͤtigte das Vor-
urtheil, daß er Charlotten ungluͤcklich ge-
macht haͤtte. Man hielt es fuͤr Gewiſſens-
biſſe. Die Umſtaͤnd’ ihres Todes, die un-
ſerm Bekannten, wiewohl zum groͤßten Theil
ſehr unrichtig und nur beylaͤufig, erzaͤhlet
worden, beſtaͤtigten dieſen unerhoͤrten Wahn.
— Da Charlott’ ihrem Ungetreuen auswich,
und ihn nicht anders, als in ihrem Herzen
ſah, ſo unterhielt alles die Ruhe unſeres Be-
kannten, um mich deſto unruhiger zu ma-
chen
(Dies ſind ſeine eigene Worte.)

Der
Zweiter Th. G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0103" n="97"/>
&#x017F;erer Seligen ha&#x0364;tten. Der Sturmwind, wenn<lb/>
er daher fuhr, und die Kirchenlinden ab&#x017F;plit-<lb/>
terte, und Ae&#x017F;te brach, &#x017F;chonte der Blumen<lb/>
auf die&#x017F;er heiligen Sta&#x0364;te. Sie war jedem<lb/>
heilig, wie die Pforte des Himmels. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich glaube, meine Le&#x017F;er verlieren bey die-<lb/>
&#x017F;em Auszuge: denn das weit&#x017F;chweifige Origi-<lb/>
nal hatte Stellen, die &#x017F;chrecklich waren.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;er Bekannte war durch die&#x017F;en denk-<lb/>
wu&#x0364;rdigen Tod noch nicht auf Bußgedanken<lb/>
gebracht. Er konnte Charlottens Leiche &#x017F;o<lb/>
gar folgen, ohne eine Thra&#x0364;ne fallen zu la&#x017F;&#x017F;en!</p><lb/>
        <p>Das nenn ich, &#x017F;agte Herr v. G., <hi rendition="#fr">Ge-<lb/>
richt der Ver&#x017F;tockung</hi>! Die Tro&#x017F;tlo&#x017F;igkeit des<lb/>
Mannes un&#x017F;rer Charlotten be&#x017F;ta&#x0364;tigte das Vor-<lb/>
urtheil, daß er Charlotten unglu&#x0364;cklich ge-<lb/>
macht ha&#x0364;tte. Man hielt es fu&#x0364;r Gewi&#x017F;&#x017F;ens-<lb/>
bi&#x017F;&#x017F;e. Die Um&#x017F;ta&#x0364;nd&#x2019; ihres Todes, die un-<lb/>
&#x017F;erm Bekannten, wiewohl zum gro&#x0364;ßten Theil<lb/>
&#x017F;ehr unrichtig und nur beyla&#x0364;ufig, erza&#x0364;hlet<lb/>
worden, be&#x017F;ta&#x0364;tigten die&#x017F;en unerho&#x0364;rten Wahn.<lb/>
&#x2014; Da Charlott&#x2019; ihrem Ungetreuen auswich,<lb/>
und ihn nicht anders, als in ihrem Herzen<lb/>
&#x017F;ah, &#x017F;o unterhielt alles die Ruhe un&#x017F;eres Be-<lb/>
kannten, um <hi rendition="#fr">mich de&#x017F;to unruhiger zu ma-<lb/>
chen</hi> (Dies &#x017F;ind &#x017F;eine eigene Worte.)</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Zweiter Th.</hi> G</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0103] ſerer Seligen haͤtten. Der Sturmwind, wenn er daher fuhr, und die Kirchenlinden abſplit- terte, und Aeſte brach, ſchonte der Blumen auf dieſer heiligen Staͤte. Sie war jedem heilig, wie die Pforte des Himmels. — Ich glaube, meine Leſer verlieren bey die- ſem Auszuge: denn das weitſchweifige Origi- nal hatte Stellen, die ſchrecklich waren. Unſer Bekannte war durch dieſen denk- wuͤrdigen Tod noch nicht auf Bußgedanken gebracht. Er konnte Charlottens Leiche ſo gar folgen, ohne eine Thraͤne fallen zu laſſen! Das nenn ich, ſagte Herr v. G., Ge- richt der Verſtockung! Die Troſtloſigkeit des Mannes unſrer Charlotten beſtaͤtigte das Vor- urtheil, daß er Charlotten ungluͤcklich ge- macht haͤtte. Man hielt es fuͤr Gewiſſens- biſſe. Die Umſtaͤnd’ ihres Todes, die un- ſerm Bekannten, wiewohl zum groͤßten Theil ſehr unrichtig und nur beylaͤufig, erzaͤhlet worden, beſtaͤtigten dieſen unerhoͤrten Wahn. — Da Charlott’ ihrem Ungetreuen auswich, und ihn nicht anders, als in ihrem Herzen ſah, ſo unterhielt alles die Ruhe unſeres Be- kannten, um mich deſto unruhiger zu ma- chen (Dies ſind ſeine eigene Worte.) Der Zweiter Th. G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/103
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/103>, abgerufen am 20.04.2024.