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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Litaney, ein ewiges Kyrie eleison. Froh
würd er seiner Erlösung entgegen gegangen
seyn, wenn nicht Charlotte und sein Sohn
im Himmel gewesen. -- Seinen Sohn
durft' er nur vor den Menschen bekennen;
desto mehr litt' er, daß er Charlottens Na-
men verbeißen mußte. In der Still nannt'
er ihn tausendmal in einem fort. Er zitterte
vor dem Tage seines Todes, und das Leben
war ihm auch unerträglich. O Gott! es
muß ein schrecklicher Zustand seyn, wenn
man nicht leben, nicht sterben kann. Am
Ende war ihm doch das Leben das unerträg-
lichste. Er sehnte sich vom Fegfeuer dieses
seines Lebens, und von allem Uebel befreyt zu
werden, -- und wenn ihn eine Furcht vor
dem Himmel ergrif, wo er seinen Sohn,
Charlotten und Luisen finden würde; schlug
er seine Hände gen Himmel: Vergieb! war
alles was er sagen konnte.

Sein Morgen und Abendgebet war:

Von allem Uebel mich erlös';
es sind die Tage bitterbös;
erlös' mich von dem ew'gen Tod,
und tröst mich in der letzten Noth.
Bescheer mir, Herr! ein seel'ges End;
nimm meine Seel in deine Händ'!
und
G 3

Litaney, ein ewiges Kyrie eleiſon. Froh
wuͤrd er ſeiner Erloͤſung entgegen gegangen
ſeyn, wenn nicht Charlotte und ſein Sohn
im Himmel geweſen. — Seinen Sohn
durft’ er nur vor den Menſchen bekennen;
deſto mehr litt’ er, daß er Charlottens Na-
men verbeißen mußte. In der Still nannt’
er ihn tauſendmal in einem fort. Er zitterte
vor dem Tage ſeines Todes, und das Leben
war ihm auch unertraͤglich. O Gott! es
muß ein ſchrecklicher Zuſtand ſeyn, wenn
man nicht leben, nicht ſterben kann. Am
Ende war ihm doch das Leben das unertraͤg-
lichſte. Er ſehnte ſich vom Fegfeuer dieſes
ſeines Lebens, und von allem Uebel befreyt zu
werden, — und wenn ihn eine Furcht vor
dem Himmel ergrif, wo er ſeinen Sohn,
Charlotten und Luiſen finden wuͤrde; ſchlug
er ſeine Haͤnde gen Himmel: Vergieb! war
alles was er ſagen konnte.

Sein Morgen und Abendgebet war:

Von allem Uebel mich erloͤſ’;
es ſind die Tage bitterboͤs;
erloͤſ’ mich von dem ew’gen Tod,
und troͤſt mich in der letzten Noth.
Beſcheer mir, Herr! ein ſeel’ges End;
nimm meine Seel in deine Haͤnd’!
und
G 3
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[101/0107] Litaney, ein ewiges Kyrie eleiſon. Froh wuͤrd er ſeiner Erloͤſung entgegen gegangen ſeyn, wenn nicht Charlotte und ſein Sohn im Himmel geweſen. — Seinen Sohn durft’ er nur vor den Menſchen bekennen; deſto mehr litt’ er, daß er Charlottens Na- men verbeißen mußte. In der Still nannt’ er ihn tauſendmal in einem fort. Er zitterte vor dem Tage ſeines Todes, und das Leben war ihm auch unertraͤglich. O Gott! es muß ein ſchrecklicher Zuſtand ſeyn, wenn man nicht leben, nicht ſterben kann. Am Ende war ihm doch das Leben das unertraͤg- lichſte. Er ſehnte ſich vom Fegfeuer dieſes ſeines Lebens, und von allem Uebel befreyt zu werden, — und wenn ihn eine Furcht vor dem Himmel ergrif, wo er ſeinen Sohn, Charlotten und Luiſen finden wuͤrde; ſchlug er ſeine Haͤnde gen Himmel: Vergieb! war alles was er ſagen konnte. Sein Morgen und Abendgebet war: Von allem Uebel mich erloͤſ’; es ſind die Tage bitterboͤs; erloͤſ’ mich von dem ew’gen Tod, und troͤſt mich in der letzten Noth. Beſcheer mir, Herr! ein ſeel’ges End; nimm meine Seel in deine Haͤnd’! und G 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/107>, abgerufen am 28.03.2024.