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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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ner ganz andern Ursache hergekommen, die
er in der Tasche hätte. Benjamin sollte so-
gleich fort. Herrmann stand Schildwache,
damit niemand den Primaner sähe, und be-
fahl seinen Sohn, vom Fenster zu gehen. --
Der arme Junge mußte sich lange kehren und
wenden, bis er ein Pläzchen fand, wo man
am wenigsten entdecken konnte, daß Benja-
min, des alten Herrn Sohn, hier wäre.
Ich würd ihn nicht von dieser Wache weg-
gebracht haben, wenn ich nicht mit Benja-
min wie du und du umgegangen. Dies brach-
te den Herrn Candidaten von der Thür, und
vielleicht fiel ihm zu rechter Zeit ein, daß er
selbst zu Hause Fingerhut, Bügeleisen, Na-
del und Zwirn, (wiewohl unter ein Paar
Schlößer verwahrt,) hätte. -- Er lösete
sich von der Schildwach' ab, und Benjamin
und ich waren allein. --

Mir war von je her angst und bange
über Benjamin, wie meine Leser es selbst
wißen, weil er das geschlagen werden schon
gewohnt war. Das Finkennest und der Juden-
junge hatten diese Angst und Bangigkeit wieder
aufgefrischt, die der Gedanke, daß Minchen
Benjamins Schwester war, zum größten
Theil widerlegt hatte. Benjamin war schon

bey

ner ganz andern Urſache hergekommen, die
er in der Taſche haͤtte. Benjamin ſollte ſo-
gleich fort. Herrmann ſtand Schildwache,
damit niemand den Primaner ſaͤhe, und be-
fahl ſeinen Sohn, vom Fenſter zu gehen. —
Der arme Junge mußte ſich lange kehren und
wenden, bis er ein Plaͤzchen fand, wo man
am wenigſten entdecken konnte, daß Benja-
min, des alten Herrn Sohn, hier waͤre.
Ich wuͤrd ihn nicht von dieſer Wache weg-
gebracht haben, wenn ich nicht mit Benja-
min wie du und du umgegangen. Dies brach-
te den Herrn Candidaten von der Thuͤr, und
vielleicht fiel ihm zu rechter Zeit ein, daß er
ſelbſt zu Hauſe Fingerhut, Buͤgeleiſen, Na-
del und Zwirn, (wiewohl unter ein Paar
Schloͤßer verwahrt,) haͤtte. — Er loͤſete
ſich von der Schildwach’ ab, und Benjamin
und ich waren allein. —

Mir war von je her angſt und bange
uͤber Benjamin, wie meine Leſer es ſelbſt
wißen, weil er das geſchlagen werden ſchon
gewohnt war. Das Finkenneſt und der Juden-
junge hatten dieſe Angſt und Bangigkeit wieder
aufgefriſcht, die der Gedanke, daß Minchen
Benjamins Schweſter war, zum groͤßten
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[106/0112] ner ganz andern Urſache hergekommen, die er in der Taſche haͤtte. Benjamin ſollte ſo- gleich fort. Herrmann ſtand Schildwache, damit niemand den Primaner ſaͤhe, und be- fahl ſeinen Sohn, vom Fenſter zu gehen. — Der arme Junge mußte ſich lange kehren und wenden, bis er ein Plaͤzchen fand, wo man am wenigſten entdecken konnte, daß Benja- min, des alten Herrn Sohn, hier waͤre. Ich wuͤrd ihn nicht von dieſer Wache weg- gebracht haben, wenn ich nicht mit Benja- min wie du und du umgegangen. Dies brach- te den Herrn Candidaten von der Thuͤr, und vielleicht fiel ihm zu rechter Zeit ein, daß er ſelbſt zu Hauſe Fingerhut, Buͤgeleiſen, Na- del und Zwirn, (wiewohl unter ein Paar Schloͤßer verwahrt,) haͤtte. — Er loͤſete ſich von der Schildwach’ ab, und Benjamin und ich waren allein. — Mir war von je her angſt und bange uͤber Benjamin, wie meine Leſer es ſelbſt wißen, weil er das geſchlagen werden ſchon gewohnt war. Das Finkenneſt und der Juden- junge hatten dieſe Angſt und Bangigkeit wieder aufgefriſcht, die der Gedanke, daß Minchen Benjamins Schweſter war, zum groͤßten Theil widerlegt hatte. Benjamin war ſchon bey

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/112>, abgerufen am 29.03.2024.