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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Benjamin. Die Liebe wird dich im Studie-
ren stören. --
Ich. Recht, Bruder! Sie wirds, und ich
werde kein so großer Kunsterfahrner Ge-
lehrter werden; allein ein herzlicher werd'
ich seyn, ich werd' aus jedem Buche lieben
lernen. Die Liebe schläfert Trieb' ein;
allein sie weckt auch Trieb' auf! -- Weiß
Gott, wie's zugeht; allein wer nicht liebt,
sieht durchs Glaß, durchs Fenster, wer
liebt sieht mit eigenen Augen! Durch und
durch mit Leib und Seel!
Benjamin. Gott helfe dir! ich weiß nicht, wie
ich einfädeln und das Nadelöhr finden
werde, da ich dich nur lieben gesehen und
gehört habe, -- und du, du solst Predi-
gen lernen?
Ich. Das ist bey der Liebe leichter, als
schneidern. Sieh, Benjamin! Heut zu
Tag' ist unsre Liebe mehr geistisch geworden,
und Geist mit Geist kommt in die Ver-
wanntschaft. Sorge nicht für mich, Bru-
der, sorge nur für Minen! -- Sag ihr
alles, alles! und bitte sie, daß sie mir treu-
lich ein Tagebuch halte, und Auszüge hie-
von alle Vierteljahr übersende. Es bleibt
bey der Anordnung, es bleibt ganz dabey!
Ein
Benjamin. Die Liebe wird dich im Studie-
ren ſtoͤren. —
Ich. Recht, Bruder! Sie wirds, und ich
werde kein ſo großer Kunſterfahrner Ge-
lehrter werden; allein ein herzlicher werd’
ich ſeyn, ich werd’ aus jedem Buche lieben
lernen. Die Liebe ſchlaͤfert Trieb’ ein;
allein ſie weckt auch Trieb’ auf! — Weiß
Gott, wie’s zugeht; allein wer nicht liebt,
ſieht durchs Glaß, durchs Fenſter, wer
liebt ſieht mit eigenen Augen! Durch und
durch mit Leib und Seel!
Benjamin. Gott helfe dir! ich weiß nicht, wie
ich einfaͤdeln und das Nadeloͤhr finden
werde, da ich dich nur lieben geſehen und
gehoͤrt habe, — und du, du ſolſt Predi-
gen lernen?
Ich. Das iſt bey der Liebe leichter, als
ſchneidern. Sieh, Benjamin! Heut zu
Tag’ iſt unſre Liebe mehr geiſtiſch geworden,
und Geiſt mit Geiſt kommt in die Ver-
wanntſchaft. Sorge nicht fuͤr mich, Bru-
der, ſorge nur fuͤr Minen! — Sag ihr
alles, alles! und bitte ſie, daß ſie mir treu-
lich ein Tagebuch halte, und Auszuͤge hie-
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bey der Anordnung, es bleibt ganz dabey!
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[123/0129] Benjamin. Die Liebe wird dich im Studie- ren ſtoͤren. — Ich. Recht, Bruder! Sie wirds, und ich werde kein ſo großer Kunſterfahrner Ge- lehrter werden; allein ein herzlicher werd’ ich ſeyn, ich werd’ aus jedem Buche lieben lernen. Die Liebe ſchlaͤfert Trieb’ ein; allein ſie weckt auch Trieb’ auf! — Weiß Gott, wie’s zugeht; allein wer nicht liebt, ſieht durchs Glaß, durchs Fenſter, wer liebt ſieht mit eigenen Augen! Durch und durch mit Leib und Seel! Benjamin. Gott helfe dir! ich weiß nicht, wie ich einfaͤdeln und das Nadeloͤhr finden werde, da ich dich nur lieben geſehen und gehoͤrt habe, — und du, du ſolſt Predi- gen lernen? Ich. Das iſt bey der Liebe leichter, als ſchneidern. Sieh, Benjamin! Heut zu Tag’ iſt unſre Liebe mehr geiſtiſch geworden, und Geiſt mit Geiſt kommt in die Ver- wanntſchaft. Sorge nicht fuͤr mich, Bru- der, ſorge nur fuͤr Minen! — Sag ihr alles, alles! und bitte ſie, daß ſie mir treu- lich ein Tagebuch halte, und Auszuͤge hie- von alle Vierteljahr uͤberſende. Es bleibt bey der Anordnung, es bleibt ganz dabey! Ein

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/129>, abgerufen am 25.04.2024.