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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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ten, aber solt' ichs in meinem Kirchen-
stuhl? -- Pastor, das nemliche! auf
ein Haar das nemliche. Es geschiehet
zuweilen, daß einer von der Gesellschaft
in Privathäusern sich auf einmal gerade
stellt, ein Paar Handschuh anlegt, und
Allerseits anfängt, wie es bey meinem
Schwager v. W. nichts neues ist; allein
wie ist ihnen dabey? -- Wenn aber
dieser Redner feyerlich eben herein tritt,
und seine Rede fein züchtig anhebt? --
Man schämt sich, wenn man eben ein
Glaß in der Hand hat, man stelt es un-
vermerkt an einen entlegenen Ort des
Zimmers, so bald man Allerseits hört,
man sieht den geputzten Redner, wenn
man ihn auch noch so gut kennt, für ei-
nen Fremden an, und hat nicht das Herz
sich gerade hin, sondern ehrfurchtsvoll an
ihn zu wenden. Dem Vater gehts so
mit dem eheleiblichen Sohn. Der Sohn
wird Vater, der Vater Sohn, wenn der
Sohn redet, und der Vater höret. Man
sieht den Saal als eine Kirche an, und
den Sohn auf der Kanzel. Der Redner
hats vollbracht; allein man trägt noch
Bedenken, so gleich ein Glaß Wein mit
ihm
ten, aber ſolt’ ichs in meinem Kirchen-
ſtuhl? — Paſtor, das nemliche! auf
ein Haar das nemliche. Es geſchiehet
zuweilen, daß einer von der Geſellſchaft
in Privathaͤuſern ſich auf einmal gerade
ſtellt, ein Paar Handſchuh anlegt, und
Allerſeits anfaͤngt, wie es bey meinem
Schwager v. W. nichts neues iſt; allein
wie iſt ihnen dabey? — Wenn aber
dieſer Redner feyerlich eben herein tritt,
und ſeine Rede fein zuͤchtig anhebt? —
Man ſchaͤmt ſich, wenn man eben ein
Glaß in der Hand hat, man ſtelt es un-
vermerkt an einen entlegenen Ort des
Zimmers, ſo bald man Allerſeits hoͤrt,
man ſieht den geputzten Redner, wenn
man ihn auch noch ſo gut kennt, fuͤr ei-
nen Fremden an, und hat nicht das Herz
ſich gerade hin, ſondern ehrfurchtsvoll an
ihn zu wenden. Dem Vater gehts ſo
mit dem eheleiblichen Sohn. Der Sohn
wird Vater, der Vater Sohn, wenn der
Sohn redet, und der Vater hoͤret. Man
ſieht den Saal als eine Kirche an, und
den Sohn auf der Kanzel. Der Redner
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[138/0144] ten, aber ſolt’ ichs in meinem Kirchen- ſtuhl? — Paſtor, das nemliche! auf ein Haar das nemliche. Es geſchiehet zuweilen, daß einer von der Geſellſchaft in Privathaͤuſern ſich auf einmal gerade ſtellt, ein Paar Handſchuh anlegt, und Allerſeits anfaͤngt, wie es bey meinem Schwager v. W. nichts neues iſt; allein wie iſt ihnen dabey? — Wenn aber dieſer Redner feyerlich eben herein tritt, und ſeine Rede fein zuͤchtig anhebt? — Man ſchaͤmt ſich, wenn man eben ein Glaß in der Hand hat, man ſtelt es un- vermerkt an einen entlegenen Ort des Zimmers, ſo bald man Allerſeits hoͤrt, man ſieht den geputzten Redner, wenn man ihn auch noch ſo gut kennt, fuͤr ei- nen Fremden an, und hat nicht das Herz ſich gerade hin, ſondern ehrfurchtsvoll an ihn zu wenden. Dem Vater gehts ſo mit dem eheleiblichen Sohn. Der Sohn wird Vater, der Vater Sohn, wenn der Sohn redet, und der Vater hoͤret. Man ſieht den Saal als eine Kirche an, und den Sohn auf der Kanzel. Der Redner hats vollbracht; allein man traͤgt noch Bedenken, ſo gleich ein Glaß Wein mit ihm

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/144>, abgerufen am 25.04.2024.