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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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tet auf der Kanzel so vortreflich, heißt
mit andern Worten: der Mann ist ein
falscher Spieler!
Herr v. G. Ists aber nicht kindlicher, sich
in Gottes Willen ergeben und ihm alles
anheim stellen?
Pastor. Das ist Gebet. Das Vater unser
ist bis auf die bescheidene Bitte: Brod
auf heute
, Ergebung in den göttlichen
Willen. -- Es ist ein heidnischer, allein
ein überdachter großer Vorschlag "wenn ein
anderer betet, daß er seinen Sohn nicht
verlieren möge; so bitte du, daß du dich
nicht weigern oder fürchten mögest, ihn
zu verlieren --" Der Christ braucht dies
nicht von Heiden zu lernen. Sein Herr
und Meister lehrt es ihm. Wer so stark
ist, daß er nicht Worte braucht, bete
mit der Seele, Geist zu Geist! Schwer-
lich wird jemand, der von Jugend auf
sagen gelernt: Abba, mein Vater! sich
ohne Worte behelfen. -- Ein Wort,
ein Wort, sagt man, ein Mann, ein
Mann; allein Lebens und Sterbens we-
gen schreibt mans doch auf. -- Was
dies Schriftliche beym Menschen ist, das
ist das Gebet bey Gott, es geschehe, wie
die
tet auf der Kanzel ſo vortreflich, heißt
mit andern Worten: der Mann iſt ein
falſcher Spieler!
Herr v. G. Iſts aber nicht kindlicher, ſich
in Gottes Willen ergeben und ihm alles
anheim ſtellen?
Paſtor. Das iſt Gebet. Das Vater unſer
iſt bis auf die beſcheidene Bitte: Brod
auf heute
, Ergebung in den goͤttlichen
Willen. — Es iſt ein heidniſcher, allein
ein uͤberdachter großer Vorſchlag „wenn ein
anderer betet, daß er ſeinen Sohn nicht
verlieren moͤge; ſo bitte du, daß du dich
nicht weigern oder fuͤrchten moͤgeſt, ihn
zu verlieren —„ Der Chriſt braucht dies
nicht von Heiden zu lernen. Sein Herr
und Meiſter lehrt es ihm. Wer ſo ſtark
iſt, daß er nicht Worte braucht, bete
mit der Seele, Geiſt zu Geiſt! Schwer-
lich wird jemand, der von Jugend auf
ſagen gelernt: Abba, mein Vater! ſich
ohne Worte behelfen. — Ein Wort,
ein Wort, ſagt man, ein Mann, ein
Mann; allein Lebens und Sterbens we-
gen ſchreibt mans doch auf. — Was
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[144/0150] tet auf der Kanzel ſo vortreflich, heißt mit andern Worten: der Mann iſt ein falſcher Spieler! Herr v. G. Iſts aber nicht kindlicher, ſich in Gottes Willen ergeben und ihm alles anheim ſtellen? Paſtor. Das iſt Gebet. Das Vater unſer iſt bis auf die beſcheidene Bitte: Brod auf heute, Ergebung in den goͤttlichen Willen. — Es iſt ein heidniſcher, allein ein uͤberdachter großer Vorſchlag „wenn ein anderer betet, daß er ſeinen Sohn nicht verlieren moͤge; ſo bitte du, daß du dich nicht weigern oder fuͤrchten moͤgeſt, ihn zu verlieren —„ Der Chriſt braucht dies nicht von Heiden zu lernen. Sein Herr und Meiſter lehrt es ihm. Wer ſo ſtark iſt, daß er nicht Worte braucht, bete mit der Seele, Geiſt zu Geiſt! Schwer- lich wird jemand, der von Jugend auf ſagen gelernt: Abba, mein Vater! ſich ohne Worte behelfen. — Ein Wort, ein Wort, ſagt man, ein Mann, ein Mann; allein Lebens und Sterbens we- gen ſchreibt mans doch auf. — Was dies Schriftliche beym Menſchen iſt, das iſt das Gebet bey Gott, es geſchehe, wie die

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/150>, abgerufen am 19.04.2024.