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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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tungsort, oder wir sind die elendesten unter
allen Geschöpfen! Drum nehm ich so gern
Abschied
auf die Art, wie vom Vaterlande,
wenn ich schon weg bin. -- Ich empfand
warlich mehr, als ich sagen kann, und was
noch mehr, als sagen ist: schreiben kann. --
Noch wo ich grün sehe, kommt mir vor, als
säh' ich Freyheit. Seht! was ich die-
sem Scheidewändchen zwischen Curland und
Preußen, und dem grünen Fleck, auf dem
Herr v. G. der ältere uns belehrte, daß wir
Curländer wären,

zu verdanken habe! -- ich wünsch' allen
Königschen, wes Standes und Geburt sie
seyn mögen, sonder Arglist und Gefehrde,
etwas Grünes, damit sie wenigstens einiger-
maaßen wißen, was Freyheit sey? Monar-
chischer Staat ist wie eine Lanze, oben klingt
es, unten ist Holz, wie ein Kegelspiel, das
die Kugel nicht trift. -- Was Se. Ma-
jestät nicht allerhöchst eigenhändig fällt, das
thun die fallende Kegel, einer wirft den an-
dern mit. -- So wie gesteiftes und unge-
steiftes Kleid, so Monarchie und freyer
Staat. Hier stammen wir in gerader Linie
von der Mutter Natur ab; dort höchstens
von der Seitenlinie. Im monarchischen

Staat

tungsort, oder wir ſind die elendeſten unter
allen Geſchoͤpfen! Drum nehm ich ſo gern
Abſchied
auf die Art, wie vom Vaterlande,
wenn ich ſchon weg bin. — Ich empfand
warlich mehr, als ich ſagen kann, und was
noch mehr, als ſagen iſt: ſchreiben kann. —
Noch wo ich gruͤn ſehe, kommt mir vor, als
ſaͤh’ ich Freyheit. Seht! was ich die-
ſem Scheidewaͤndchen zwiſchen Curland und
Preußen, und dem gruͤnen Fleck, auf dem
Herr v. G. der aͤltere uns belehrte, daß wir
Curlaͤnder waͤren,

zu verdanken habe! — ich wuͤnſch’ allen
Koͤnigſchen, wes Standes und Geburt ſie
ſeyn moͤgen, ſonder Argliſt und Gefehrde,
etwas Gruͤnes, damit ſie wenigſtens einiger-
maaßen wißen, was Freyheit ſey? Monar-
chiſcher Staat iſt wie eine Lanze, oben klingt
es, unten iſt Holz, wie ein Kegelſpiel, das
die Kugel nicht trift. — Was Se. Ma-
jeſtaͤt nicht allerhoͤchſt eigenhaͤndig faͤllt, das
thun die fallende Kegel, einer wirft den an-
dern mit. — So wie geſteiftes und unge-
ſteiftes Kleid, ſo Monarchie und freyer
Staat. Hier ſtammen wir in gerader Linie
von der Mutter Natur ab; dort hoͤchſtens
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Staat
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[170/0178] tungsort, oder wir ſind die elendeſten unter allen Geſchoͤpfen! Drum nehm ich ſo gern Abſchied auf die Art, wie vom Vaterlande, wenn ich ſchon weg bin. — Ich empfand warlich mehr, als ich ſagen kann, und was noch mehr, als ſagen iſt: ſchreiben kann. — Noch wo ich gruͤn ſehe, kommt mir vor, als ſaͤh’ ich Freyheit. Seht! was ich die- ſem Scheidewaͤndchen zwiſchen Curland und Preußen, und dem gruͤnen Fleck, auf dem Herr v. G. der aͤltere uns belehrte, daß wir Curlaͤnder waͤren, zu verdanken habe! — ich wuͤnſch’ allen Koͤnigſchen, wes Standes und Geburt ſie ſeyn moͤgen, ſonder Argliſt und Gefehrde, etwas Gruͤnes, damit ſie wenigſtens einiger- maaßen wißen, was Freyheit ſey? Monar- chiſcher Staat iſt wie eine Lanze, oben klingt es, unten iſt Holz, wie ein Kegelſpiel, das die Kugel nicht trift. — Was Se. Ma- jeſtaͤt nicht allerhoͤchſt eigenhaͤndig faͤllt, das thun die fallende Kegel, einer wirft den an- dern mit. — So wie geſteiftes und unge- ſteiftes Kleid, ſo Monarchie und freyer Staat. Hier ſtammen wir in gerader Linie von der Mutter Natur ab; dort hoͤchſtens von der Seitenlinie. Im monarchiſchen Staat

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/178>, abgerufen am 25.04.2024.