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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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dre geht. Niemand, der sterblich ist, kann
ein selbstständiges Genie seyn!

Hier ein Wort von der Natur des Dich-
ters und von dem Lande, wo er sie pflückt.

Er pflückt seine Natur; denn der Ort,
wo er sie nahm, ist, wenn man die Natur
wiedersucht, die der Dichter beherzigte, wie
abgemäht: man sieht höchstens die Stäte,
das, was der Dichter sah, ist es wohl mehr
ersichtlich?

Des Dichters Natur ist unsterblich. Sie
macht die Seele, die Monaden in seinem
Werke. --

Man sagt, und in Wahrheit kluge Leute
sind unter diesem Man sagt inbegriffen. Er-
giebiger Boden zieht nicht Genies, sondern
schwieriger. -- Nicht also! Reiset nach Hol-
land, um nur eine einzige Reise vorzuschla-
gen, hier hat der Fleiß alles gethan. Wie
das Land, so die Köpfe. Ein schwieriger Bo-
den zieht Kritik, ein ergiebiger Genies.

Wieder eine Frage.

Was den Casimirus, den vierten König in
Pohlen, zum Befehl bewogen, die lateini-
sche Sprache in Pohlen zu treiben?

In wie viel Tagen Josephus Justus Sca-
liger,
des Jul. Caes. Scaliger Sohn, den

gan-

dre geht. Niemand, der ſterblich iſt, kann
ein ſelbſtſtaͤndiges Genie ſeyn!

Hier ein Wort von der Natur des Dich-
ters und von dem Lande, wo er ſie pfluͤckt.

Er pfluͤckt ſeine Natur; denn der Ort,
wo er ſie nahm, iſt, wenn man die Natur
wiederſucht, die der Dichter beherzigte, wie
abgemaͤht: man ſieht hoͤchſtens die Staͤte,
das, was der Dichter ſah, iſt es wohl mehr
erſichtlich?

Des Dichters Natur iſt unſterblich. Sie
macht die Seele, die Monaden in ſeinem
Werke. —

Man ſagt, und in Wahrheit kluge Leute
ſind unter dieſem Man ſagt inbegriffen. Er-
giebiger Boden zieht nicht Genies, ſondern
ſchwieriger. — Nicht alſo! Reiſet nach Hol-
land, um nur eine einzige Reiſe vorzuſchla-
gen, hier hat der Fleiß alles gethan. Wie
das Land, ſo die Koͤpfe. Ein ſchwieriger Bo-
den zieht Kritik, ein ergiebiger Genies.

Wieder eine Frage.

Was den Caſimirus, den vierten Koͤnig in
Pohlen, zum Befehl bewogen, die lateini-
ſche Sprache in Pohlen zu treiben?

In wie viel Tagen Joſephus Juſtus Sca-
liger,
des Jul. Cæſ. Scaliger Sohn, den

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[215/0223] dre geht. Niemand, der ſterblich iſt, kann ein ſelbſtſtaͤndiges Genie ſeyn! Hier ein Wort von der Natur des Dich- ters und von dem Lande, wo er ſie pfluͤckt. Er pfluͤckt ſeine Natur; denn der Ort, wo er ſie nahm, iſt, wenn man die Natur wiederſucht, die der Dichter beherzigte, wie abgemaͤht: man ſieht hoͤchſtens die Staͤte, das, was der Dichter ſah, iſt es wohl mehr erſichtlich? Des Dichters Natur iſt unſterblich. Sie macht die Seele, die Monaden in ſeinem Werke. — Man ſagt, und in Wahrheit kluge Leute ſind unter dieſem Man ſagt inbegriffen. Er- giebiger Boden zieht nicht Genies, ſondern ſchwieriger. — Nicht alſo! Reiſet nach Hol- land, um nur eine einzige Reiſe vorzuſchla- gen, hier hat der Fleiß alles gethan. Wie das Land, ſo die Koͤpfe. Ein ſchwieriger Bo- den zieht Kritik, ein ergiebiger Genies. Wieder eine Frage. Was den Caſimirus, den vierten Koͤnig in Pohlen, zum Befehl bewogen, die lateini- ſche Sprache in Pohlen zu treiben? In wie viel Tagen Joſephus Juſtus Sca- liger, des Jul. Cæſ. Scaliger Sohn, den gan-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/223>, abgerufen am 29.03.2024.