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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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meine Leben. -- Die natürliche lehrt die
Zeit gebrauchen, die künstliche, sie vertreiben.
Die Naturphilosophie ist fließend Waßer,
Springwaßer, die künstlich' ist Waßer, wel-
ches steht. Die Kunstphilosophie treibt Com-
mißionshandel, die Naturphilosophie hat
blos eigenes Produkt. Das Leben der Na-
turphilosophie ist eine Copia vidimata ihrer
Grundsätze, und zu ihren Angaben ein solch
erklärender nachhelfender Belag, daß ohne
Beylage sub Vide ihre ganze Lehre wie gar
nichts ist. Wohl dem, der von diesem Was-
ser des Lebens getrunken hat! Die Idee der
Weisheit liegt der Naturphilosophie zum
Grunde, die nicht gleichgültig, sondern gleich-
müthig macht. -- Ist wohl ein paßende-
res Motto zur künstlichen Philosophie, als
"die Herren werden doch wohl Spas ver-
stehn" Will man ein Emblem, so ist's ein
optischer Kasten. --

Vom natürlichen Philosophen sagt man,
er philosophirt. Ein künstlicher Philosoph
hat Philosophie. Er hat sie vor Geld und
gute Worte zum Verkauf und zur Pacht. --
Man muß es bey der Philosophie nicht anle-
gen, ein Buch, den beliebten Autor, son-
dern die Sache zu verstehn. Man will sich

vorzüg-

meine Leben. — Die natuͤrliche lehrt die
Zeit gebrauchen, die kuͤnſtliche, ſie vertreiben.
Die Naturphiloſophie iſt fließend Waßer,
Springwaßer, die kuͤnſtlich’ iſt Waßer, wel-
ches ſteht. Die Kunſtphiloſophie treibt Com-
mißionshandel, die Naturphiloſophie hat
blos eigenes Produkt. Das Leben der Na-
turphiloſophie iſt eine Copia vidimata ihrer
Grundſaͤtze, und zu ihren Angaben ein ſolch
erklaͤrender nachhelfender Belag, daß ohne
Beylage ſub Vide ihre ganze Lehre wie gar
nichts iſt. Wohl dem, der von dieſem Waſ-
ſer des Lebens getrunken hat! Die Idee der
Weisheit liegt der Naturphiloſophie zum
Grunde, die nicht gleichguͤltig, ſondern gleich-
muͤthig macht. — Iſt wohl ein paßende-
res Motto zur kuͤnſtlichen Philoſophie, als
„die Herren werden doch wohl Spas ver-
ſtehn„ Will man ein Emblem, ſo iſt’s ein
optiſcher Kaſten. —

Vom natuͤrlichen Philoſophen ſagt man,
er philoſophirt. Ein kuͤnſtlicher Philoſoph
hat Philoſophie. Er hat ſie vor Geld und
gute Worte zum Verkauf und zur Pacht. —
Man muß es bey der Philoſophie nicht anle-
gen, ein Buch, den beliebten Autor, ſon-
dern die Sache zu verſtehn. Man will ſich

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[223/0231] meine Leben. — Die natuͤrliche lehrt die Zeit gebrauchen, die kuͤnſtliche, ſie vertreiben. Die Naturphiloſophie iſt fließend Waßer, Springwaßer, die kuͤnſtlich’ iſt Waßer, wel- ches ſteht. Die Kunſtphiloſophie treibt Com- mißionshandel, die Naturphiloſophie hat blos eigenes Produkt. Das Leben der Na- turphiloſophie iſt eine Copia vidimata ihrer Grundſaͤtze, und zu ihren Angaben ein ſolch erklaͤrender nachhelfender Belag, daß ohne Beylage ſub Vide ihre ganze Lehre wie gar nichts iſt. Wohl dem, der von dieſem Waſ- ſer des Lebens getrunken hat! Die Idee der Weisheit liegt der Naturphiloſophie zum Grunde, die nicht gleichguͤltig, ſondern gleich- muͤthig macht. — Iſt wohl ein paßende- res Motto zur kuͤnſtlichen Philoſophie, als „die Herren werden doch wohl Spas ver- ſtehn„ Will man ein Emblem, ſo iſt’s ein optiſcher Kaſten. — Vom natuͤrlichen Philoſophen ſagt man, er philoſophirt. Ein kuͤnſtlicher Philoſoph hat Philoſophie. Er hat ſie vor Geld und gute Worte zum Verkauf und zur Pacht. — Man muß es bey der Philoſophie nicht anle- gen, ein Buch, den beliebten Autor, ſon- dern die Sache zu verſtehn. Man will ſich vorzuͤg-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/231>, abgerufen am 29.03.2024.