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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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ausgerissen seyn. -- Da stand der Wachmei-
ster, wie eine Katze vorm Keficht, und die
Soldaten, als wenn hungrige Tyger vor
der Thüre witterten. Des Justizraths Au-
gen glänzten vor Wonne, als hätt er Gott
einen Dienst gethan. Er ging auf und nie-
der, in Erwartung der Dinge, die kommen
sollten. --

Der Prediger blieb eine kleine Weile' im
Lehnstuhl, schlug die Händ' in einander,
sprang auf, und wand sich zu seiner Frau!
Gretchen, seine Tochter, hatt' ihm diese
Sorg' anheim gestellt. Fasse dich! Seele,
beruhige dich, wilst du mit Gott rechten,
sagte der arme Prediger? Harr' auf den
Herrn. Die Linden sollen bleiben, und deine
Tochter soll grünen, wie die Weiden an dem
Kirchengraben. Ich bin nicht in Ketten
und Banden. Gretchen ist nicht entführt,
sie soll nicht einen Bösewicht, sondern wenn
Zeit und Rath kommt, ihren Hansen haben.
Hör' auf mit Zeter und Weh. -- Man sucht
hier jemand, der nicht hier ist.

Diese herzliche Trostworte hätten den
Justizrath freylich auf andere Gedanken brin-
gen können und sollen; allein er ließ nicht
von Catharinens Hand, die ihn leitete und

führte

ausgeriſſen ſeyn. — Da ſtand der Wachmei-
ſter, wie eine Katze vorm Keficht, und die
Soldaten, als wenn hungrige Tyger vor
der Thuͤre witterten. Des Juſtizraths Au-
gen glaͤnzten vor Wonne, als haͤtt er Gott
einen Dienſt gethan. Er ging auf und nie-
der, in Erwartung der Dinge, die kommen
ſollten. —

Der Prediger blieb eine kleine Weile’ im
Lehnſtuhl, ſchlug die Haͤnd’ in einander,
ſprang auf, und wand ſich zu ſeiner Frau!
Gretchen, ſeine Tochter, hatt’ ihm dieſe
Sorg’ anheim geſtellt. Faſſe dich! Seele,
beruhige dich, wilſt du mit Gott rechten,
ſagte der arme Prediger? Harr’ auf den
Herrn. Die Linden ſollen bleiben, und deine
Tochter ſoll gruͤnen, wie die Weiden an dem
Kirchengraben. Ich bin nicht in Ketten
und Banden. Gretchen iſt nicht entfuͤhrt,
ſie ſoll nicht einen Boͤſewicht, ſondern wenn
Zeit und Rath kommt, ihren Hanſen haben.
Hoͤr’ auf mit Zeter und Weh. — Man ſucht
hier jemand, der nicht hier iſt.

Dieſe herzliche Troſtworte haͤtten den
Juſtizrath freylich auf andere Gedanken brin-
gen koͤnnen und ſollen; allein er ließ nicht
von Catharinens Hand, die ihn leitete und

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[486/0496] ausgeriſſen ſeyn. — Da ſtand der Wachmei- ſter, wie eine Katze vorm Keficht, und die Soldaten, als wenn hungrige Tyger vor der Thuͤre witterten. Des Juſtizraths Au- gen glaͤnzten vor Wonne, als haͤtt er Gott einen Dienſt gethan. Er ging auf und nie- der, in Erwartung der Dinge, die kommen ſollten. — Der Prediger blieb eine kleine Weile’ im Lehnſtuhl, ſchlug die Haͤnd’ in einander, ſprang auf, und wand ſich zu ſeiner Frau! Gretchen, ſeine Tochter, hatt’ ihm dieſe Sorg’ anheim geſtellt. Faſſe dich! Seele, beruhige dich, wilſt du mit Gott rechten, ſagte der arme Prediger? Harr’ auf den Herrn. Die Linden ſollen bleiben, und deine Tochter ſoll gruͤnen, wie die Weiden an dem Kirchengraben. Ich bin nicht in Ketten und Banden. Gretchen iſt nicht entfuͤhrt, ſie ſoll nicht einen Boͤſewicht, ſondern wenn Zeit und Rath kommt, ihren Hanſen haben. Hoͤr’ auf mit Zeter und Weh. — Man ſucht hier jemand, der nicht hier iſt. Dieſe herzliche Troſtworte haͤtten den Juſtizrath freylich auf andere Gedanken brin- gen koͤnnen und ſollen; allein er ließ nicht von Catharinens Hand, die ihn leitete und fuͤhrte

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/496>, abgerufen am 19.04.2024.