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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Nur des Leibes wegen, setzte sie hinzu, nenn' ich
es so, meines Lebens besserer Theil, mein eigent-
liches Leben, geht nicht aus, stirbt nicht. --
Wenn diese Anfechtungen Minen überfielen,
wie es der Prediger nannte, kam es Minen vor,
daß ihr leztes, leztes Ende vielleicht schreckhaft
werden könnte, vielleicht ein Märtyrer Tod; so
wie ihr Leben ein Märtyrer Leben war.

Herr, fahr hier fort;
nur schone dort! rief sie denn zu Gott

empor! und ihr Busen hob die Decke, so
schlug ihr das das Herz! --

Geschiehet das am grünen Holz, was will
am dürren werden? sagte der Prediger bey
dieser Erzählung und bemerkte, daß er Minen
auf diese Stroph' aus dem Liede gebracht, die
er in einer Unterredung mit ihr verloren, im
eigentlichen Verstande, fügt er hinzu, ver-
loren; denn Sie, das weiß Gott! hatte
nur mein Trostamt nöthig! Ich durfte nicht zu
ihr sagen: wache auf, die du schläfst, und
steh' auf, um noch so viel in dieser Welt gut
zu machen, als du kannst. -- -- Sie war
die Unschuld selbst.

Minens Trost bey dem Gedanken, daß
ihr Ende nicht sanft seyn, und daß sie nicht
wie ein Licht ausgehen würde, war, daß auch

dies

Nur des Leibes wegen, ſetzte ſie hinzu, nenn’ ich
es ſo, meines Lebens beſſerer Theil, mein eigent-
liches Leben, geht nicht aus, ſtirbt nicht. —
Wenn dieſe Anfechtungen Minen uͤberfielen,
wie es der Prediger nannte, kam es Minen vor,
daß ihr leztes, leztes Ende vielleicht ſchreckhaft
werden koͤnnte, vielleicht ein Maͤrtyrer Tod; ſo
wie ihr Leben ein Maͤrtyrer Leben war.

Herr, fahr hier fort;
nur ſchone dort! rief ſie denn zu Gott

empor! und ihr Buſen hob die Decke, ſo
ſchlug ihr das das Herz! —

Geſchiehet das am gruͤnen Holz, was will
am duͤrren werden? ſagte der Prediger bey
dieſer Erzaͤhlung und bemerkte, daß er Minen
auf dieſe Stroph’ aus dem Liede gebracht, die
er in einer Unterredung mit ihr verloren, im
eigentlichen Verſtande, fuͤgt er hinzu, ver-
loren; denn Sie, das weiß Gott! hatte
nur mein Troſtamt noͤthig! Ich durfte nicht zu
ihr ſagen: wache auf, die du ſchlaͤfſt, und
ſteh’ auf, um noch ſo viel in dieſer Welt gut
zu machen, als du kannſt. — — Sie war
die Unſchuld ſelbſt.

Minens Troſt bey dem Gedanken, daß
ihr Ende nicht ſanft ſeyn, und daß ſie nicht
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dies
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[512/0522] Nur des Leibes wegen, ſetzte ſie hinzu, nenn’ ich es ſo, meines Lebens beſſerer Theil, mein eigent- liches Leben, geht nicht aus, ſtirbt nicht. — Wenn dieſe Anfechtungen Minen uͤberfielen, wie es der Prediger nannte, kam es Minen vor, daß ihr leztes, leztes Ende vielleicht ſchreckhaft werden koͤnnte, vielleicht ein Maͤrtyrer Tod; ſo wie ihr Leben ein Maͤrtyrer Leben war. Herr, fahr hier fort; nur ſchone dort! rief ſie denn zu Gott empor! und ihr Buſen hob die Decke, ſo ſchlug ihr das das Herz! — Geſchiehet das am gruͤnen Holz, was will am duͤrren werden? ſagte der Prediger bey dieſer Erzaͤhlung und bemerkte, daß er Minen auf dieſe Stroph’ aus dem Liede gebracht, die er in einer Unterredung mit ihr verloren, im eigentlichen Verſtande, fuͤgt er hinzu, ver- loren; denn Sie, das weiß Gott! hatte nur mein Troſtamt noͤthig! Ich durfte nicht zu ihr ſagen: wache auf, die du ſchlaͤfſt, und ſteh’ auf, um noch ſo viel in dieſer Welt gut zu machen, als du kannſt. — — Sie war die Unſchuld ſelbſt. Minens Troſt bey dem Gedanken, daß ihr Ende nicht ſanft ſeyn, und daß ſie nicht wie ein Licht ausgehen wuͤrde, war, daß auch dies

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/522>, abgerufen am 29.03.2024.