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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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viele Wochen drüber, waren längst überschrit-
ten
, ohne daß ich das Tagebuch erhalten.
Da ich auf alle meine Erinnerungen und
Briefe keine Sylbe erhielt, schlug die Ahn-
dung wie ein Blitz, bey mir ein, ohne daß
ich mir diese Ahndungsgabe je zu geeignet habe,
noch jetzt zueignen darf: "Mine ist -- --
-- hier
"! Wo ist sie, theurester Herr --
Rath, frug ich, wo? Das Feuer, womit
ich sprach, und womit ich ihm mein Herz
völlig aufschloß, erlaubte diesem feinen sehr
feinen Menschenkenner, und eben so großen
Menschenfreunde nicht, mir alles zu entde-
cken. Ich erfuhr nur, daß Mine in L --
bey seinem Bruder wäre! daß sie krank ge-
wesen, und daß sie sehr krank gewesen. Ich
würde mit -- obgleich mein Bruder mich
nur so, als wolt' er mich nicht gebeten,
sagte der -- Rath -- allein der königliche
Dienst --

Wie mir war, kann ich nicht schreiben,
ich hab' es selbst nie aussprechen können. --
Gleich so wie ich stand und gieng, wolt' ich in
den Wagen. -- Er versicherte mich, daß ich
nicht nöthig hätte mich zu übereilen, und
daß es schon besser mit ihr wäre. Tausend-
mal wolt' es mir einfallen, sie ist todt; al-

lein

viele Wochen druͤber, waren laͤngſt uͤberſchrit-
ten
, ohne daß ich das Tagebuch erhalten.
Da ich auf alle meine Erinnerungen und
Briefe keine Sylbe erhielt, ſchlug die Ahn-
dung wie ein Blitz, bey mir ein, ohne daß
ich mir dieſe Ahndungsgabe je zu geeignet habe,
noch jetzt zueignen darf: „Mine iſt — —
— hier
„! Wo iſt ſie, theureſter Herr —
Rath, frug ich, wo? Das Feuer, womit
ich ſprach, und womit ich ihm mein Herz
voͤllig aufſchloß, erlaubte dieſem feinen ſehr
feinen Menſchenkenner, und eben ſo großen
Menſchenfreunde nicht, mir alles zu entde-
cken. Ich erfuhr nur, daß Mine in L —
bey ſeinem Bruder waͤre! daß ſie krank ge-
weſen, und daß ſie ſehr krank geweſen. Ich
wuͤrde mit — obgleich mein Bruder mich
nur ſo, als wolt’ er mich nicht gebeten,
ſagte der — Rath — allein der koͤnigliche
Dienſt —

Wie mir war, kann ich nicht ſchreiben,
ich hab’ es ſelbſt nie ausſprechen koͤnnen. —
Gleich ſo wie ich ſtand und gieng, wolt’ ich in
den Wagen. — Er verſicherte mich, daß ich
nicht noͤthig haͤtte mich zu uͤbereilen, und
daß es ſchon beſſer mit ihr waͤre. Tauſend-
mal wolt’ es mir einfallen, ſie iſt todt; al-

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[518/0528] viele Wochen druͤber, waren laͤngſt uͤberſchrit- ten, ohne daß ich das Tagebuch erhalten. Da ich auf alle meine Erinnerungen und Briefe keine Sylbe erhielt, ſchlug die Ahn- dung wie ein Blitz, bey mir ein, ohne daß ich mir dieſe Ahndungsgabe je zu geeignet habe, noch jetzt zueignen darf: „Mine iſt — — — hier„! Wo iſt ſie, theureſter Herr — Rath, frug ich, wo? Das Feuer, womit ich ſprach, und womit ich ihm mein Herz voͤllig aufſchloß, erlaubte dieſem feinen ſehr feinen Menſchenkenner, und eben ſo großen Menſchenfreunde nicht, mir alles zu entde- cken. Ich erfuhr nur, daß Mine in L — bey ſeinem Bruder waͤre! daß ſie krank ge- weſen, und daß ſie ſehr krank geweſen. Ich wuͤrde mit — obgleich mein Bruder mich nur ſo, als wolt’ er mich nicht gebeten, ſagte der — Rath — allein der koͤnigliche Dienſt — Wie mir war, kann ich nicht ſchreiben, ich hab’ es ſelbſt nie ausſprechen koͤnnen. — Gleich ſo wie ich ſtand und gieng, wolt’ ich in den Wagen. — Er verſicherte mich, daß ich nicht noͤthig haͤtte mich zu uͤbereilen, und daß es ſchon beſſer mit ihr waͤre. Tauſend- mal wolt’ es mir einfallen, ſie iſt todt; al- lein

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/528>, abgerufen am 25.04.2024.