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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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mich! Dieser Trost bleibt auch im Tode un-
überwunden! Ich lebe dem Herrn! Ich sterbe
dem Herrn, im Leben und Sterben bin ich
des Herrn! --


Ich habe lang mit mir gestritten, ob ich
dir das lezte Stück von meinem Tagebuch,
das mit einem großen Kreuz bezeichnet ist,
zurücklassen, oder ob ichs mit ins Grab neh-
men sollte? Du weiß'st, daß ich dir bis an
das große Kreuz keine Klage über meinen
Vater geführet habe, ich wolt's auch jetzo
nicht -- ich stritt lang mit mir, endlich und
endlich hielt ich mich verbunden, dir, für
den ich kein Geheimniß gehabt und haben
kann, Rechenschaft von meinem Tode zu ge-
ben. Im Himmel hätt' ich dir ohnedem so
was nicht erzählen können, und niemand
weiß es, was ich weiß, und was dir dieses
Tagebuch sagen kann, ausser Benjamin! und
den hof' ich auch dort zu finden. -- Lies,
und fluche meinem Vater nicht, ich hab'
ihm nächst Gott mein Leben zu danken. Würd'
ich nicht in dieser Prüfung gelebet haben,
könnt' ich nicht Gottes Angesicht sehen, und
ewig genesen. Dort ist mein unbeflecktes
Erbe mir aufbehalten im Himmel! Fluch'

ihm
L l 3

mich! Dieſer Troſt bleibt auch im Tode un-
uͤberwunden! Ich lebe dem Herrn! Ich ſterbe
dem Herrn, im Leben und Sterben bin ich
des Herrn! —


Ich habe lang mit mir geſtritten, ob ich
dir das lezte Stuͤck von meinem Tagebuch,
das mit einem großen Kreuz bezeichnet iſt,
zuruͤcklaſſen, oder ob ichs mit ins Grab neh-
men ſollte? Du weiß’ſt, daß ich dir bis an
das große Kreuz keine Klage uͤber meinen
Vater gefuͤhret habe, ich wolt’s auch jetzo
nicht — ich ſtritt lang mit mir, endlich und
endlich hielt ich mich verbunden, dir, fuͤr
den ich kein Geheimniß gehabt und haben
kann, Rechenſchaft von meinem Tode zu ge-
ben. Im Himmel haͤtt’ ich dir ohnedem ſo
was nicht erzaͤhlen koͤnnen, und niemand
weiß es, was ich weiß, und was dir dieſes
Tagebuch ſagen kann, auſſer Benjamin! und
den hof’ ich auch dort zu finden. — Lies,
und fluche meinem Vater nicht, ich hab’
ihm naͤchſt Gott mein Leben zu danken. Wuͤrd’
ich nicht in dieſer Pruͤfung gelebet haben,
koͤnnt’ ich nicht Gottes Angeſicht ſehen, und
ewig geneſen. Dort iſt mein unbeflecktes
Erbe mir aufbehalten im Himmel! Fluch’

ihm
L l 3
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[533/0545] mich! Dieſer Troſt bleibt auch im Tode un- uͤberwunden! Ich lebe dem Herrn! Ich ſterbe dem Herrn, im Leben und Sterben bin ich des Herrn! — Ich habe lang mit mir geſtritten, ob ich dir das lezte Stuͤck von meinem Tagebuch, das mit einem großen Kreuz bezeichnet iſt, zuruͤcklaſſen, oder ob ichs mit ins Grab neh- men ſollte? Du weiß’ſt, daß ich dir bis an das große Kreuz keine Klage uͤber meinen Vater gefuͤhret habe, ich wolt’s auch jetzo nicht — ich ſtritt lang mit mir, endlich und endlich hielt ich mich verbunden, dir, fuͤr den ich kein Geheimniß gehabt und haben kann, Rechenſchaft von meinem Tode zu ge- ben. Im Himmel haͤtt’ ich dir ohnedem ſo was nicht erzaͤhlen koͤnnen, und niemand weiß es, was ich weiß, und was dir dieſes Tagebuch ſagen kann, auſſer Benjamin! und den hof’ ich auch dort zu finden. — Lies, und fluche meinem Vater nicht, ich hab’ ihm naͤchſt Gott mein Leben zu danken. Wuͤrd’ ich nicht in dieſer Pruͤfung gelebet haben, koͤnnt’ ich nicht Gottes Angeſicht ſehen, und ewig geneſen. Dort iſt mein unbeflecktes Erbe mir aufbehalten im Himmel! Fluch’ ihm L l 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/545>, abgerufen am 29.03.2024.