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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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nicht zugeben --) und das, sagt' er, so
schöne Thränen, und schien nicht undeutlich
zu verstehen zu geben, daß zwischen Thränen
und Thränen schön und heßlich statt finde. --
Was mich wunderte war, daß er selbst fühl-
te, Minchen sänge vortreflich. Was das
Spielen betrift, fuhr er fort, so hat sie ihre
eigene Manier. Freylich, dacht' ich, den
steinigten Acker versteht sie nicht auszudrü-
cken, auch nicht die fünf Gersten Brodte und
ein wenig Fischlein. Da der Herr Candidat
außer ihren ersten Jugendjahren -- nichts
von Minchen zu sagen wußte, was mir nicht
weit genauer und richtiger bekannt war; so
lenkt' ich ihn auf die Universitäten, allein ich
fand ihn nicht bewärth. Er sagte davon we-
niger, wie mein Vater von seinem Vater-
lande, und dies war wohl natürlich, da mein
Vater gewiß ein Vaterland hatte, der Herr
Candidat aber schwerlich auf irgend einer Uni-
versität gewesen seyn wird. -- Des Herrn
Candidaten frühere Spargel, Pfeife in
der freien Luft, und Wein bey der Quelle,
waren bey dieser Gelegenheit ein Vade
mecum von Studentenstreichen, womit
er meine Frage nicht befriedigte. Ich brach
also ab, ohne ihm, so schlecht er auch

beym
Zweiter Th. D

nicht zugeben —) und das, ſagt’ er, ſo
ſchoͤne Thraͤnen, und ſchien nicht undeutlich
zu verſtehen zu geben, daß zwiſchen Thraͤnen
und Thraͤnen ſchoͤn und heßlich ſtatt finde. —
Was mich wunderte war, daß er ſelbſt fuͤhl-
te, Minchen ſaͤnge vortreflich. Was das
Spielen betrift, fuhr er fort, ſo hat ſie ihre
eigene Manier. Freylich, dacht’ ich, den
ſteinigten Acker verſteht ſie nicht auszudruͤ-
cken, auch nicht die fuͤnf Gerſten Brodte und
ein wenig Fiſchlein. Da der Herr Candidat
außer ihren erſten Jugendjahren — nichts
von Minchen zu ſagen wußte, was mir nicht
weit genauer und richtiger bekannt war; ſo
lenkt’ ich ihn auf die Univerſitaͤten, allein ich
fand ihn nicht bewaͤrth. Er ſagte davon we-
niger, wie mein Vater von ſeinem Vater-
lande, und dies war wohl natuͤrlich, da mein
Vater gewiß ein Vaterland hatte, der Herr
Candidat aber ſchwerlich auf irgend einer Uni-
verſitaͤt geweſen ſeyn wird. — Des Herrn
Candidaten fruͤhere Spargel, Pfeife in
der freien Luft, und Wein bey der Quelle,
waren bey dieſer Gelegenheit ein Vade
mecum von Studentenſtreichen, womit
er meine Frage nicht befriedigte. Ich brach
alſo ab, ohne ihm, ſo ſchlecht er auch

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Zweiter Th. D
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[49/0055] nicht zugeben —) und das, ſagt’ er, ſo ſchoͤne Thraͤnen, und ſchien nicht undeutlich zu verſtehen zu geben, daß zwiſchen Thraͤnen und Thraͤnen ſchoͤn und heßlich ſtatt finde. — Was mich wunderte war, daß er ſelbſt fuͤhl- te, Minchen ſaͤnge vortreflich. Was das Spielen betrift, fuhr er fort, ſo hat ſie ihre eigene Manier. Freylich, dacht’ ich, den ſteinigten Acker verſteht ſie nicht auszudruͤ- cken, auch nicht die fuͤnf Gerſten Brodte und ein wenig Fiſchlein. Da der Herr Candidat außer ihren erſten Jugendjahren — nichts von Minchen zu ſagen wußte, was mir nicht weit genauer und richtiger bekannt war; ſo lenkt’ ich ihn auf die Univerſitaͤten, allein ich fand ihn nicht bewaͤrth. Er ſagte davon we- niger, wie mein Vater von ſeinem Vater- lande, und dies war wohl natuͤrlich, da mein Vater gewiß ein Vaterland hatte, der Herr Candidat aber ſchwerlich auf irgend einer Uni- verſitaͤt geweſen ſeyn wird. — Des Herrn Candidaten fruͤhere Spargel, Pfeife in der freien Luft, und Wein bey der Quelle, waren bey dieſer Gelegenheit ein Vade mecum von Studentenſtreichen, womit er meine Frage nicht befriedigte. Ich brach alſo ab, ohne ihm, ſo ſchlecht er auch beym Zweiter Th. D

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/55>, abgerufen am 29.03.2024.