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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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lezten Willen, meinem Vater nichts zuzurech-
nen. Vergib ihm, o Lieber! Vergib ihm,
so wie du wilst, daß mir und dir Gott ver-
gebe. Kannst du ihm helfen, hilf ihm. Meine
Flucht kann ihn vielleicht in noch schlechtere
Verfassung bringen, als er schon war, da
er die Schule aufgegeben hatte. -- Vergib
ihm, und dem v. E. -- -- so wie ich bey-
den vergebe! -- O es ist eine schöne Sache
zu vergeben. Vergib ihnen alle Leiden, die
sie mir gemacht, und auch dir -- du kannst
in deiner eigenen Sache nicht Richter seyn.
Mein Leiden und Tod trift dich zu nahe, ver-
gib allen alles -- den Eßig und Gall am
Kreuz -- sie wissen nicht, was sie thun!
Oft denk ich an den Tod des grösten Todten!
der uns ein Fürbild ließ nachzufolgen seinen
Fußstapfen, und dann bin ich froh über die
Kriegsknechte, welche die Widdem besetzten,
und über so manchen Pilatus, der nur den
Leib tödten kann, und die Seele nicht, wor-
unter ich aber den ehrlichen Nathanael nicht
rechne; denn wahrlich er that mehr, als sich
die Hände waschen. -- Sag' ihm, wenn
du ihn in dieser Welt sprichst, daß ich ihm
von Herzen vergeben habe. Seit der Zeit,
da er mich schreckte, war es vollbracht! al-

les

lezten Willen, meinem Vater nichts zuzurech-
nen. Vergib ihm, o Lieber! Vergib ihm,
ſo wie du wilſt, daß mir und dir Gott ver-
gebe. Kannſt du ihm helfen, hilf ihm. Meine
Flucht kann ihn vielleicht in noch ſchlechtere
Verfaſſung bringen, als er ſchon war, da
er die Schule aufgegeben hatte. — Vergib
ihm, und dem v. E. — — ſo wie ich bey-
den vergebe! — O es iſt eine ſchoͤne Sache
zu vergeben. Vergib ihnen alle Leiden, die
ſie mir gemacht, und auch dir — du kannſt
in deiner eigenen Sache nicht Richter ſeyn.
Mein Leiden und Tod trift dich zu nahe, ver-
gib allen alles — den Eßig und Gall am
Kreuz — ſie wiſſen nicht, was ſie thun!
Oft denk ich an den Tod des groͤſten Todten!
der uns ein Fuͤrbild ließ nachzufolgen ſeinen
Fußſtapfen, und dann bin ich froh uͤber die
Kriegsknechte, welche die Widdem beſetzten,
und uͤber ſo manchen Pilatus, der nur den
Leib toͤdten kann, und die Seele nicht, wor-
unter ich aber den ehrlichen Nathanael nicht
rechne; denn wahrlich er that mehr, als ſich
die Haͤnde waſchen. — Sag’ ihm, wenn
du ihn in dieſer Welt ſprichſt, daß ich ihm
von Herzen vergeben habe. Seit der Zeit,
da er mich ſchreckte, war es vollbracht! al-

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[540/0552] lezten Willen, meinem Vater nichts zuzurech- nen. Vergib ihm, o Lieber! Vergib ihm, ſo wie du wilſt, daß mir und dir Gott ver- gebe. Kannſt du ihm helfen, hilf ihm. Meine Flucht kann ihn vielleicht in noch ſchlechtere Verfaſſung bringen, als er ſchon war, da er die Schule aufgegeben hatte. — Vergib ihm, und dem v. E. — — ſo wie ich bey- den vergebe! — O es iſt eine ſchoͤne Sache zu vergeben. Vergib ihnen alle Leiden, die ſie mir gemacht, und auch dir — du kannſt in deiner eigenen Sache nicht Richter ſeyn. Mein Leiden und Tod trift dich zu nahe, ver- gib allen alles — den Eßig und Gall am Kreuz — ſie wiſſen nicht, was ſie thun! Oft denk ich an den Tod des groͤſten Todten! der uns ein Fuͤrbild ließ nachzufolgen ſeinen Fußſtapfen, und dann bin ich froh uͤber die Kriegsknechte, welche die Widdem beſetzten, und uͤber ſo manchen Pilatus, der nur den Leib toͤdten kann, und die Seele nicht, wor- unter ich aber den ehrlichen Nathanael nicht rechne; denn wahrlich er that mehr, als ſich die Haͤnde waſchen. — Sag’ ihm, wenn du ihn in dieſer Welt ſprichſt, daß ich ihm von Herzen vergeben habe. Seit der Zeit, da er mich ſchreckte, war es vollbracht! al- les

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/552>, abgerufen am 20.04.2024.