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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Fritzchen, mein Bruder, starb! o wenn!
er noch lebte! o wenn! o wenn! wenn!
Welch Lieschen hat nicht ein Fritzchen nö-
thig, ein Bruder Fritzchen. Für ein anderes
Fritzchen dank ich. Seliges Fritzchen! War-
um nahmst du mich nicht mit? Warum die
Nachtigal? Warum? -- Das Vögelchen ver-
schied in Fritzens Hand. Sie hatten sich
sehr lieb -- das Vögelchen und Fritzchen.
Ich sah sie beye sterben. Der Vogel laurte
recht auf Fritzens Seelchen, um sich ihm an-
zudrängen, wie das Vögelchen sich hier an
ihn anschloß. Sie ließen nicht von einander.
Fritz sieht mich an. Was siehst du, Fritz-
chen? Was -- ich weinte -- solt ich nicht?
"Still, Lieschen" ich hör es ihn noch sa-
gen "still Lieschen, bleib bei Vater und
"Mutterchen, ich finde dort auch ein Lies-
"chen, unser Schwesterchen, dort, wo
"der liebe Gott seinen Himmel hat, der
"besser als seine Erd' ist, auch wenn Fel-
"der und Wiesen voll sind. Hilf ihn bit-
"ten sehr bitten, den lieben Gott, daß er
"mich in den Himmel nimmt, und auch
"mein Vögelchen herein läßt -- uns beyd'
"für einen. Du bist ein gutes Mädchen,

"der

Fritzchen, mein Bruder, ſtarb! o wenn!
er noch lebte! o wenn! o wenn! wenn!
Welch Lieschen hat nicht ein Fritzchen noͤ-
thig, ein Bruder Fritzchen. Fuͤr ein anderes
Fritzchen dank ich. Seliges Fritzchen! War-
um nahmſt du mich nicht mit? Warum die
Nachtigal? Warum? — Das Voͤgelchen ver-
ſchied in Fritzens Hand. Sie hatten ſich
ſehr lieb — das Voͤgelchen und Fritzchen.
Ich ſah ſie beye ſterben. Der Vogel laurte
recht auf Fritzens Seelchen, um ſich ihm an-
zudraͤngen, wie das Voͤgelchen ſich hier an
ihn anſchloß. Sie ließen nicht von einander.
Fritz ſieht mich an. Was ſiehſt du, Fritz-
chen? Was — ich weinte — ſolt ich nicht?
Still, Lieschen„ ich hoͤr es ihn noch ſa-
gen „ſtill Lieschen, bleib bei Vater und
„Mutterchen, ich finde dort auch ein Lies-
„chen, unſer Schweſterchen, dort, wo
„der liebe Gott ſeinen Himmel hat, der
„beſſer als ſeine Erd’ iſt, auch wenn Fel-
„der und Wieſen voll ſind. Hilf ihn bit-
„ten ſehr bitten, den lieben Gott, daß er
„mich in den Himmel nimmt, und auch
„mein Voͤgelchen herein laͤßt — uns beyd’
„fuͤr einen. Du biſt ein gutes Maͤdchen,

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[571/0583] Fritzchen, mein Bruder, ſtarb! o wenn! er noch lebte! o wenn! o wenn! wenn! Welch Lieschen hat nicht ein Fritzchen noͤ- thig, ein Bruder Fritzchen. Fuͤr ein anderes Fritzchen dank ich. Seliges Fritzchen! War- um nahmſt du mich nicht mit? Warum die Nachtigal? Warum? — Das Voͤgelchen ver- ſchied in Fritzens Hand. Sie hatten ſich ſehr lieb — das Voͤgelchen und Fritzchen. Ich ſah ſie beye ſterben. Der Vogel laurte recht auf Fritzens Seelchen, um ſich ihm an- zudraͤngen, wie das Voͤgelchen ſich hier an ihn anſchloß. Sie ließen nicht von einander. Fritz ſieht mich an. Was ſiehſt du, Fritz- chen? Was — ich weinte — ſolt ich nicht? „Still, Lieschen„ ich hoͤr es ihn noch ſa- gen „ſtill Lieschen, bleib bei Vater und „Mutterchen, ich finde dort auch ein Lies- „chen, unſer Schweſterchen, dort, wo „der liebe Gott ſeinen Himmel hat, der „beſſer als ſeine Erd’ iſt, auch wenn Fel- „der und Wieſen voll ſind. Hilf ihn bit- „ten ſehr bitten, den lieben Gott, daß er „mich in den Himmel nimmt, und auch „mein Voͤgelchen herein laͤßt — uns beyd’ „fuͤr einen. Du biſt ein gutes Maͤdchen, „der

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/583>, abgerufen am 29.03.2024.