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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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ehrt, ehrt uns der? Und wers thut, wenn
wir nicht dabey sind, ehrt uns der? Weiß
dieser Fels, wenn ich sag'ein schöner Fels, und
richtet sich die abgehauene Tanne in die Höhe,
wenn ich sag': ein treflicher Baum? Hören
wir, wenn wir gestorben sind, und was ist
die Ehre, wenn wir nicht hören können?
Du hast falsch Geld eingewechselt, Franz!
Schäme dich, daß du gestorben bist. Doch!
bist du todt! Franz, rede doch, ich ringe
meine Hände, ich halt sie gen Himmel! Ich
-- was weiß ich, was ich thue! -- So
rede doch, Franz, bist du todt? Lebst du?
Verzeih' einem Weibe, daß sie nicht männ-
lich denkt. Du hattest zwo Händ', eine für
mich, eine für deine Pflicht. Es war Pflicht
daß du in den Krieg giengest. Du hattest
dein Wort eher der Fahn' als mir gegeben.
Verzeih mir, Franz! Ich sah dein linkes
Aug' in Thränen, da du Abschied nahmst.
Im Rechten war Muth. Eine Hand war
stark, die andre sank. O Franz! Franz!
Wenn wir uns doch eher gekannt hätten. --
Vielleicht hättest du dich mit keiner andern
Pflicht vermählt, als mit der, mich zu lie-
ben! -- Die schöne Pflicht! -- Ist sie nicht
schön? Traurig schön! O wenn du leben

möch-

ehrt, ehrt uns der? Und wers thut, wenn
wir nicht dabey ſind, ehrt uns der? Weiß
dieſer Fels, wenn ich ſag’ein ſchoͤner Fels, und
richtet ſich die abgehauene Tanne in die Hoͤhe,
wenn ich ſag’: ein treflicher Baum? Hoͤren
wir, wenn wir geſtorben ſind, und was iſt
die Ehre, wenn wir nicht hoͤren koͤnnen?
Du haſt falſch Geld eingewechſelt, Franz!
Schaͤme dich, daß du geſtorben biſt. Doch!
biſt du todt! Franz, rede doch, ich ringe
meine Haͤnde, ich halt ſie gen Himmel! Ich
— was weiß ich, was ich thue! — So
rede doch, Franz, biſt du todt? Lebſt du?
Verzeih’ einem Weibe, daß ſie nicht maͤnn-
lich denkt. Du hatteſt zwo Haͤnd’, eine fuͤr
mich, eine fuͤr deine Pflicht. Es war Pflicht
daß du in den Krieg giengeſt. Du hatteſt
dein Wort eher der Fahn’ als mir gegeben.
Verzeih mir, Franz! Ich ſah dein linkes
Aug’ in Thraͤnen, da du Abſchied nahmſt.
Im Rechten war Muth. Eine Hand war
ſtark, die andre ſank. O Franz! Franz!
Wenn wir uns doch eher gekannt haͤtten. —
Vielleicht haͤtteſt du dich mit keiner andern
Pflicht vermaͤhlt, als mit der, mich zu lie-
ben! — Die ſchoͤne Pflicht! — Iſt ſie nicht
ſchoͤn? Traurig ſchoͤn! O wenn du leben

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[594/0606] ehrt, ehrt uns der? Und wers thut, wenn wir nicht dabey ſind, ehrt uns der? Weiß dieſer Fels, wenn ich ſag’ein ſchoͤner Fels, und richtet ſich die abgehauene Tanne in die Hoͤhe, wenn ich ſag’: ein treflicher Baum? Hoͤren wir, wenn wir geſtorben ſind, und was iſt die Ehre, wenn wir nicht hoͤren koͤnnen? Du haſt falſch Geld eingewechſelt, Franz! Schaͤme dich, daß du geſtorben biſt. Doch! biſt du todt! Franz, rede doch, ich ringe meine Haͤnde, ich halt ſie gen Himmel! Ich — was weiß ich, was ich thue! — So rede doch, Franz, biſt du todt? Lebſt du? Verzeih’ einem Weibe, daß ſie nicht maͤnn- lich denkt. Du hatteſt zwo Haͤnd’, eine fuͤr mich, eine fuͤr deine Pflicht. Es war Pflicht daß du in den Krieg giengeſt. Du hatteſt dein Wort eher der Fahn’ als mir gegeben. Verzeih mir, Franz! Ich ſah dein linkes Aug’ in Thraͤnen, da du Abſchied nahmſt. Im Rechten war Muth. Eine Hand war ſtark, die andre ſank. O Franz! Franz! Wenn wir uns doch eher gekannt haͤtten. — Vielleicht haͤtteſt du dich mit keiner andern Pflicht vermaͤhlt, als mit der, mich zu lie- ben! — Die ſchoͤne Pflicht! — Iſt ſie nicht ſchoͤn? Traurig ſchoͤn! O wenn du leben moͤch-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/606>, abgerufen am 28.03.2024.