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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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verstande Hungers gestorben sind! Daß sich
Gott über solche Bengel erbarme, die nicht
werth waren, junge Naben zu seyn! -- Seyd
ihr nicht mehr, denn sie
? hätte man auf das
Grab dieser Verhungerten schreiben, und ein
Nest voll junger Raben, eben im Gebet be-
griffen, aushauen sollen! Sterben wir, liebe
getreue Nachbaren und desgleichen! ster-
ben wir, so heißt es, als wenn wir vom Tisch
aufstehen, und das Tischtuch, bald hätt' ich
Leichentuch, gesagt, zusammen legen:

Wir danken Gott für seine Gaben,
die wir von ihm empfangen haben,
und bitten Gott unsern lieben Herrn,
er woll' uns allzeit mehr bescheren!
Er speis uns stets mit seinem Wort;
damit wir satt werden hier! und dort!
Ach lieber Gott, du wolst uns geben,
nach dieser Welt das ewige Leben!

Kann ein besser Todten- oder Begräbniß-
lied
seyn?

Aber zur Sache zu kommen! Der Stu-
dent, der im ersten Paar mit dem Hochge-
bohrnen Herrn gieng, mag wohl wissen,
wie's in Curland bey Begräbnissen gehalten
wird; von unserer Manier weiß er keinen
Theelöffel aufzuwaschen, das ist ein Löffel-

chen

verſtande Hungers geſtorben ſind! Daß ſich
Gott uͤber ſolche Bengel erbarme, die nicht
werth waren, junge Naben zu ſeyn! — Seyd
ihr nicht mehr, denn ſie
? haͤtte man auf das
Grab dieſer Verhungerten ſchreiben, und ein
Neſt voll junger Raben, eben im Gebet be-
griffen, aushauen ſollen! Sterben wir, liebe
getreue Nachbaren und desgleichen! ſter-
ben wir, ſo heißt es, als wenn wir vom Tiſch
aufſtehen, und das Tiſchtuch, bald haͤtt’ ich
Leichentuch, geſagt, zuſammen legen:

Wir danken Gott fuͤr ſeine Gaben,
die wir von ihm empfangen haben,
und bitten Gott unſern lieben Herrn,
er woll’ uns allzeit mehr beſcheren!
Er ſpeis uns ſtets mit ſeinem Wort;
damit wir ſatt werden hier! und dort!
Ach lieber Gott, du wolſt uns geben,
nach dieſer Welt das ewige Leben!

Kann ein beſſer Todten- oder Begraͤbniß-
lied
ſeyn?

Aber zur Sache zu kommen! Der Stu-
dent, der im erſten Paar mit dem Hochge-
bohrnen Herrn gieng, mag wohl wiſſen,
wie’s in Curland bey Begraͤbniſſen gehalten
wird; von unſerer Manier weiß er keinen
Theeloͤffel aufzuwaſchen, das iſt ein Loͤffel-

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[642/0656] verſtande Hungers geſtorben ſind! Daß ſich Gott uͤber ſolche Bengel erbarme, die nicht werth waren, junge Naben zu ſeyn! — Seyd ihr nicht mehr, denn ſie? haͤtte man auf das Grab dieſer Verhungerten ſchreiben, und ein Neſt voll junger Raben, eben im Gebet be- griffen, aushauen ſollen! Sterben wir, liebe getreue Nachbaren und desgleichen! ſter- ben wir, ſo heißt es, als wenn wir vom Tiſch aufſtehen, und das Tiſchtuch, bald haͤtt’ ich Leichentuch, geſagt, zuſammen legen: Wir danken Gott fuͤr ſeine Gaben, die wir von ihm empfangen haben, und bitten Gott unſern lieben Herrn, er woll’ uns allzeit mehr beſcheren! Er ſpeis uns ſtets mit ſeinem Wort; damit wir ſatt werden hier! und dort! Ach lieber Gott, du wolſt uns geben, nach dieſer Welt das ewige Leben! Kann ein beſſer Todten- oder Begraͤbniß- lied ſeyn? Aber zur Sache zu kommen! Der Stu- dent, der im erſten Paar mit dem Hochge- bohrnen Herrn gieng, mag wohl wiſſen, wie’s in Curland bey Begraͤbniſſen gehalten wird; von unſerer Manier weiß er keinen Theeloͤffel aufzuwaſchen, das iſt ein Loͤffel- chen

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/656>, abgerufen am 28.03.2024.