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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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und der Noth verrichteten, und dem Herrn
Pfarrer sein Getreyde wegen des bezogenen
Himmels in die Scheure sammelten, und
hernach, wiewohl nach der Predigt, unterm
Schauer sassen, und regnen sahen! und un-
ser gute Seelenhirte mitten unter uns! Das
gieng Prosit! Gevatter! und ich glaube solche
Prosittage habt ihr viel gehabt.

Niemand ist schläfrig zum Todesschlaf.
Jedes hat noch Lust ein Stündchen aufzu-
bleiben. Alles will gern leben. Die lahme
Trine im Hospital hätte gern noch einige Jah-
re gehinkt, und es ist gewiß und wahrhaftig so
viel hübsches, besonders im Sommer, in der
Welt zu sehen und zu hören; daß man recht
gern lebt! -- Ich liebe darum vorzüglich den
Sommer, weil so viel Leben drinn ist! -- Alles
lebt im Sommer! Die ausgewachsenen Bäu-
me sind für Vögel und Gewürmer große
Städte, so wie das Gras schlechte Dörfer, und
Gesträuch Kirchdörfer sind. -- Manche Eiche
könnte man wohl ein Schloß nennen: alles
wie man es nehmen will. -- Mir hat noch
keine Fliege einen Gedanken weggesnmmt,
und es ist mir gleich nicht recht, wenn nicht
ein Paar in meiner Stube sind. Kann sie
ein so großer Herr, als der liebe Gott ist,

in

und der Noth verrichteten, und dem Herrn
Pfarrer ſein Getreyde wegen des bezogenen
Himmels in die Scheure ſammelten, und
hernach, wiewohl nach der Predigt, unterm
Schauer ſaſſen, und regnen ſahen! und un-
ſer gute Seelenhirte mitten unter uns! Das
gieng Proſit! Gevatter! und ich glaube ſolche
Proſittage habt ihr viel gehabt.

Niemand iſt ſchlaͤfrig zum Todesſchlaf.
Jedes hat noch Luſt ein Stuͤndchen aufzu-
bleiben. Alles will gern leben. Die lahme
Trine im Hoſpital haͤtte gern noch einige Jah-
re gehinkt, und es iſt gewiß und wahrhaftig ſo
viel huͤbſches, beſonders im Sommer, in der
Welt zu ſehen und zu hoͤren; daß man recht
gern lebt! — Ich liebe darum vorzuͤglich den
Sommer, weil ſo viel Leben drinn iſt! — Alles
lebt im Sommer! Die ausgewachſenen Baͤu-
me ſind fuͤr Voͤgel und Gewuͤrmer große
Staͤdte, ſo wie das Gras ſchlechte Doͤrfer, und
Geſtraͤuch Kirchdoͤrfer ſind. — Manche Eiche
koͤnnte man wohl ein Schloß nennen: alles
wie man es nehmen will. — Mir hat noch
keine Fliege einen Gedanken weggeſnmmt,
und es iſt mir gleich nicht recht, wenn nicht
ein Paar in meiner Stube ſind. Kann ſie
ein ſo großer Herr, als der liebe Gott iſt,

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[646/0660] und der Noth verrichteten, und dem Herrn Pfarrer ſein Getreyde wegen des bezogenen Himmels in die Scheure ſammelten, und hernach, wiewohl nach der Predigt, unterm Schauer ſaſſen, und regnen ſahen! und un- ſer gute Seelenhirte mitten unter uns! Das gieng Proſit! Gevatter! und ich glaube ſolche Proſittage habt ihr viel gehabt. Niemand iſt ſchlaͤfrig zum Todesſchlaf. Jedes hat noch Luſt ein Stuͤndchen aufzu- bleiben. Alles will gern leben. Die lahme Trine im Hoſpital haͤtte gern noch einige Jah- re gehinkt, und es iſt gewiß und wahrhaftig ſo viel huͤbſches, beſonders im Sommer, in der Welt zu ſehen und zu hoͤren; daß man recht gern lebt! — Ich liebe darum vorzuͤglich den Sommer, weil ſo viel Leben drinn iſt! — Alles lebt im Sommer! Die ausgewachſenen Baͤu- me ſind fuͤr Voͤgel und Gewuͤrmer große Staͤdte, ſo wie das Gras ſchlechte Doͤrfer, und Geſtraͤuch Kirchdoͤrfer ſind. — Manche Eiche koͤnnte man wohl ein Schloß nennen: alles wie man es nehmen will. — Mir hat noch keine Fliege einen Gedanken weggeſnmmt, und es iſt mir gleich nicht recht, wenn nicht ein Paar in meiner Stube ſind. Kann ſie ein ſo großer Herr, als der liebe Gott iſt, in

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/660>, abgerufen am 28.03.2024.