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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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gleich jeder Tag das Seine, und wird gleich
nicht fürs Leben im ganzen Stück, sondern
für jede Tagesabtheilung Rechenschaft gege-
ben, was schadet es? Desto kürzer die Rech-
nung! Desto leichter alles übersehen! Wir
sind wahrlich nicht in Egypten! wenn wir
den lieben Gott dienen -- Seyd ehrlich --
Habt ihr wohl über eure weltliche Herrschaft
zu klagen? ob es gleich oft adeliche Aegyptier
giebt, und unter den königlichen Beamten
manchen pharaonischen Frohnvogt. -- Der
liebe Gott läßt jedem, was er hat -- Er
nimmt nicht Zoll und Accise, nicht Huben-
schoß und Vorspann, er will nur das Herz,
das heist: daß ihr das Eurige gut anwen-
det, und euch all zusammen für Schwester
und Bruder haltet. Er gönnt uns Würden
und Ehren, und läßt den beym Schulzen-
amt
, den einen Landgeschwornen, den ei-
nen Haußvater seyn, und mich einen Mit-
diener am göttlichen Worte
! Er will nur das
Herz, das heist: daß wir uns einander Ge-
vatter nennen, und nicht einer über den an-
dern erheben, und all' einander die Hand
geben und wohl bedenken, daß nicht wir,
sondern Er, durch uns regieret; dahero wer-
den auch die Schulzen und Landgeschwornen,

wie

gleich jeder Tag das Seine, und wird gleich
nicht fuͤrs Leben im ganzen Stuͤck, ſondern
fuͤr jede Tagesabtheilung Rechenſchaft gege-
ben, was ſchadet es? Deſto kuͤrzer die Rech-
nung! Deſto leichter alles uͤberſehen! Wir
ſind wahrlich nicht in Egypten! wenn wir
den lieben Gott dienen — Seyd ehrlich —
Habt ihr wohl uͤber eure weltliche Herrſchaft
zu klagen? ob es gleich oft adeliche Aegyptier
giebt, und unter den koͤniglichen Beamten
manchen pharaoniſchen Frohnvogt. — Der
liebe Gott laͤßt jedem, was er hat — Er
nimmt nicht Zoll und Acciſe, nicht Huben-
ſchoß und Vorſpann, er will nur das Herz,
das heiſt: daß ihr das Eurige gut anwen-
det, und euch all zuſammen fuͤr Schweſter
und Bruder haltet. Er goͤnnt uns Wuͤrden
und Ehren, und laͤßt den beym Schulzen-
amt
, den einen Landgeſchwornen, den ei-
nen Haußvater ſeyn, und mich einen Mit-
diener am goͤttlichen Worte
! Er will nur das
Herz, das heiſt: daß wir uns einander Ge-
vatter nennen, und nicht einer uͤber den an-
dern erheben, und all’ einander die Hand
geben und wohl bedenken, daß nicht wir,
ſondern Er, durch uns regieret; dahero wer-
den auch die Schulzen und Landgeſchwornen,

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[648/0662] gleich jeder Tag das Seine, und wird gleich nicht fuͤrs Leben im ganzen Stuͤck, ſondern fuͤr jede Tagesabtheilung Rechenſchaft gege- ben, was ſchadet es? Deſto kuͤrzer die Rech- nung! Deſto leichter alles uͤberſehen! Wir ſind wahrlich nicht in Egypten! wenn wir den lieben Gott dienen — Seyd ehrlich — Habt ihr wohl uͤber eure weltliche Herrſchaft zu klagen? ob es gleich oft adeliche Aegyptier giebt, und unter den koͤniglichen Beamten manchen pharaoniſchen Frohnvogt. — Der liebe Gott laͤßt jedem, was er hat — Er nimmt nicht Zoll und Acciſe, nicht Huben- ſchoß und Vorſpann, er will nur das Herz, das heiſt: daß ihr das Eurige gut anwen- det, und euch all zuſammen fuͤr Schweſter und Bruder haltet. Er goͤnnt uns Wuͤrden und Ehren, und laͤßt den beym Schulzen- amt, den einen Landgeſchwornen, den ei- nen Haußvater ſeyn, und mich einen Mit- diener am goͤttlichen Worte! Er will nur das Herz, das heiſt: daß wir uns einander Ge- vatter nennen, und nicht einer uͤber den an- dern erheben, und all’ einander die Hand geben und wohl bedenken, daß nicht wir, ſondern Er, durch uns regieret; dahero wer- den auch die Schulzen und Landgeſchwornen, wie

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/662>, abgerufen am 28.03.2024.