Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

vielmehr, da sie ohne sein Vorwissen und
Mitwürkung in seiner unerfahrnen Hand
losgieng, seinen Sohn erschoß, hatte seine
Lebensumstände eigenhändig verfaßt, und
sie seinem Tröster, meinem Vater, in die
Hände gelegt. Der Herr v. G., den der
Alte mit dem einen Handschu
aufmerksam
gemacht, hatte meinen Vater beschworen,
ihm den Erfolg von dem Trostamte, welches
dieser Unglückliche in seiner Seelenangst auf-
gefordert hatte, zu berichten.

Ein kurzer Brief, sagte Herr v. G.,
da er den Brief meines Vaters entfaltete,
der, wie ich bey Gelegenheit des Conversus
bemerkt habe, fürs mündliche war. Dies
gab Anlaß, von meines Vaters Weise kurz
zu schreiben, nach seinem Beyspiel ein lan-
ges Gespräch zu halten, das Herr v. G.
auf eine mir unvergeßliche Weise beschloß.
Die Sprache Gottes! Gott sprach, hauchte
nur auf, und es ward. Gott ist auch
Schriftsteller worden, fuhr Herr v. G. fort.
Das Wort Fleisch. -- Es ist viel von
Gottes Wort zu sagen. Ein Ausdruck,
den alle Welt im Munde führt, und doch
ein tiefer, tiefer Ausdruck!

Eine
F 3

vielmehr, da ſie ohne ſein Vorwiſſen und
Mitwuͤrkung in ſeiner unerfahrnen Hand
losgieng, ſeinen Sohn erſchoß, hatte ſeine
Lebensumſtaͤnde eigenhaͤndig verfaßt, und
ſie ſeinem Troͤſter, meinem Vater, in die
Haͤnde gelegt. Der Herr v. G., den der
Alte mit dem einen Handſchu
aufmerkſam
gemacht, hatte meinen Vater beſchworen,
ihm den Erfolg von dem Troſtamte, welches
dieſer Ungluͤckliche in ſeiner Seelenangſt auf-
gefordert hatte, zu berichten.

Ein kurzer Brief, ſagte Herr v. G.,
da er den Brief meines Vaters entfaltete,
der, wie ich bey Gelegenheit des Converſus
bemerkt habe, fuͤrs muͤndliche war. Dies
gab Anlaß, von meines Vaters Weiſe kurz
zu ſchreiben, nach ſeinem Beyſpiel ein lan-
ges Geſpraͤch zu halten, das Herr v. G.
auf eine mir unvergeßliche Weiſe beſchloß.
Die Sprache Gottes! Gott ſprach, hauchte
nur auf, und es ward. Gott iſt auch
Schriftſteller worden, fuhr Herr v. G. fort.
Das Wort Fleiſch. — Es iſt viel von
Gottes Wort zu ſagen. Ein Ausdruck,
den alle Welt im Munde fuͤhrt, und doch
ein tiefer, tiefer Ausdruck!

Eine
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="85"/>
vielmehr, da &#x017F;ie ohne &#x017F;ein Vorwi&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
Mitwu&#x0364;rkung in &#x017F;einer unerfahrnen Hand<lb/>
losgieng, &#x017F;einen Sohn er&#x017F;choß, hatte &#x017F;eine<lb/>
Lebensum&#x017F;ta&#x0364;nde eigenha&#x0364;ndig verfaßt, und<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;einem Tro&#x0364;&#x017F;ter, meinem Vater, in die<lb/>
Ha&#x0364;nde gelegt. Der Herr v. G., den <hi rendition="#fr">der<lb/>
Alte mit dem einen Hand&#x017F;chu</hi> aufmerk&#x017F;am<lb/>
gemacht, hatte meinen Vater be&#x017F;chworen,<lb/>
ihm den Erfolg von dem Tro&#x017F;tamte, welches<lb/>
die&#x017F;er Unglu&#x0364;ckliche in &#x017F;einer Seelenang&#x017F;t auf-<lb/>
gefordert hatte, zu berichten.</p><lb/>
        <p>Ein kurzer Brief, &#x017F;agte Herr v. G.,<lb/>
da er den Brief meines Vaters entfaltete,<lb/>
der, wie ich bey Gelegenheit des Conver&#x017F;us<lb/>
bemerkt habe, fu&#x0364;rs mu&#x0364;ndliche war. Dies<lb/>
gab Anlaß, von meines Vaters Wei&#x017F;e kurz<lb/>
zu &#x017F;chreiben, nach &#x017F;einem Bey&#x017F;piel ein lan-<lb/>
ges Ge&#x017F;pra&#x0364;ch zu halten, das Herr v. G.<lb/>
auf eine mir unvergeßliche Wei&#x017F;e be&#x017F;chloß.<lb/>
Die Sprache Gottes! Gott &#x017F;prach, hauchte<lb/>
nur auf, und es ward. Gott i&#x017F;t auch<lb/>
Schrift&#x017F;teller worden, fuhr Herr v. G. fort.<lb/>
Das Wort Flei&#x017F;ch. &#x2014; Es i&#x017F;t viel von<lb/>
Gottes Wort zu &#x017F;agen. Ein Ausdruck,<lb/>
den alle Welt im Munde fu&#x0364;hrt, und doch<lb/>
ein tiefer, tiefer Ausdruck!</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">F 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Eine</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0091] vielmehr, da ſie ohne ſein Vorwiſſen und Mitwuͤrkung in ſeiner unerfahrnen Hand losgieng, ſeinen Sohn erſchoß, hatte ſeine Lebensumſtaͤnde eigenhaͤndig verfaßt, und ſie ſeinem Troͤſter, meinem Vater, in die Haͤnde gelegt. Der Herr v. G., den der Alte mit dem einen Handſchu aufmerkſam gemacht, hatte meinen Vater beſchworen, ihm den Erfolg von dem Troſtamte, welches dieſer Ungluͤckliche in ſeiner Seelenangſt auf- gefordert hatte, zu berichten. Ein kurzer Brief, ſagte Herr v. G., da er den Brief meines Vaters entfaltete, der, wie ich bey Gelegenheit des Converſus bemerkt habe, fuͤrs muͤndliche war. Dies gab Anlaß, von meines Vaters Weiſe kurz zu ſchreiben, nach ſeinem Beyſpiel ein lan- ges Geſpraͤch zu halten, das Herr v. G. auf eine mir unvergeßliche Weiſe beſchloß. Die Sprache Gottes! Gott ſprach, hauchte nur auf, und es ward. Gott iſt auch Schriftſteller worden, fuhr Herr v. G. fort. Das Wort Fleiſch. — Es iſt viel von Gottes Wort zu ſagen. Ein Ausdruck, den alle Welt im Munde fuͤhrt, und doch ein tiefer, tiefer Ausdruck! Eine F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/91
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/91>, abgerufen am 29.03.2024.