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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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aus ihrer Hand, und dann schmekten sie
ihm desto süßer.

Nach dem Auftritt mit dem Herrn v. --
schien Charlott' unserm Bekannten eine Mär-
tyrin, und er glaubt', daß diese erhabene
Idee seiner Liebe Schaden gethan haben kön-
ne. Nachdem ich sie, schreibt er, über-
menschlich liebte, schien sich ein gewißes
Feuer im Herzen zu legen.

Er gestehet mit allen Merkzeichen einer
wahren Reue, die niemand gereuet, daß
sein Herz vorzüglich durch die Geschenke sei-
nes Principals den ganzen Rest von An-
hänglichkeit zu Charlotten verloren. Welch
ein Verlust! O Gott, welch ein Verlust!
Ich ward wie ein schwankendes Rohr, schreibt
er, lange vom Winde hin und her getrieben.
Ein Flick Land, und ein blanker Hut mach-
ten das Garaus mit mir. Ich balancirte
schon zuvor. Dies Flickwerk gab den Aus-
schlag. Der gnädige Herr konnte Char-
lottens Gutherzigkeit empfinden. Viel vom
gnädigen Herrn! Er haßt' und ehrte Char-
lotten, wie die Teufel glauben und zittern.
Sie hatte seine Beschämung oder Beschimpfung
in ihrer Gewalt: allein ihre edle himmlische
Seele wußte von keiner Rache. Charlot-

tens

aus ihrer Hand, und dann ſchmekten ſie
ihm deſto ſuͤßer.

Nach dem Auftritt mit dem Herrn v. —
ſchien Charlott’ unſerm Bekannten eine Maͤr-
tyrin, und er glaubt’, daß dieſe erhabene
Idee ſeiner Liebe Schaden gethan haben koͤn-
ne. Nachdem ich ſie, ſchreibt er, uͤber-
menſchlich liebte, ſchien ſich ein gewißes
Feuer im Herzen zu legen.

Er geſtehet mit allen Merkzeichen einer
wahren Reue, die niemand gereuet, daß
ſein Herz vorzuͤglich durch die Geſchenke ſei-
nes Principals den ganzen Reſt von An-
haͤnglichkeit zu Charlotten verloren. Welch
ein Verluſt! O Gott, welch ein Verluſt!
Ich ward wie ein ſchwankendes Rohr, ſchreibt
er, lange vom Winde hin und her getrieben.
Ein Flick Land, und ein blanker Hut mach-
ten das Garaus mit mir. Ich balancirte
ſchon zuvor. Dies Flickwerk gab den Aus-
ſchlag. Der gnaͤdige Herr konnte Char-
lottens Gutherzigkeit empfinden. Viel vom
gnaͤdigen Herrn! Er haßt’ und ehrte Char-
lotten, wie die Teufel glauben und zittern.
Sie hatte ſeine Beſchaͤmung oder Beſchimpfung
in ihrer Gewalt: allein ihre edle himmliſche
Seele wußte von keiner Rache. Charlot-

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[90/0096] aus ihrer Hand, und dann ſchmekten ſie ihm deſto ſuͤßer. Nach dem Auftritt mit dem Herrn v. — ſchien Charlott’ unſerm Bekannten eine Maͤr- tyrin, und er glaubt’, daß dieſe erhabene Idee ſeiner Liebe Schaden gethan haben koͤn- ne. Nachdem ich ſie, ſchreibt er, uͤber- menſchlich liebte, ſchien ſich ein gewißes Feuer im Herzen zu legen. Er geſtehet mit allen Merkzeichen einer wahren Reue, die niemand gereuet, daß ſein Herz vorzuͤglich durch die Geſchenke ſei- nes Principals den ganzen Reſt von An- haͤnglichkeit zu Charlotten verloren. Welch ein Verluſt! O Gott, welch ein Verluſt! Ich ward wie ein ſchwankendes Rohr, ſchreibt er, lange vom Winde hin und her getrieben. Ein Flick Land, und ein blanker Hut mach- ten das Garaus mit mir. Ich balancirte ſchon zuvor. Dies Flickwerk gab den Aus- ſchlag. Der gnaͤdige Herr konnte Char- lottens Gutherzigkeit empfinden. Viel vom gnaͤdigen Herrn! Er haßt’ und ehrte Char- lotten, wie die Teufel glauben und zittern. Sie hatte ſeine Beſchaͤmung oder Beſchimpfung in ihrer Gewalt: allein ihre edle himmliſche Seele wußte von keiner Rache. Charlot- tens

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/96>, abgerufen am 25.04.2024.