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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten
pfindlich genug. Man lobte an der Tafel vortreffliche Männer, vergaß unter ihrem
Lobe alles, was die Welt verdrüßliches hat, und glaubte des Landlebens nicht wür-
diger zu seyn, als sich mit so erheblichen Gedanken und Gesprächen, wie einst M.
Varro,
zu beschäftigen. *) Die Lebensart des Plinius **) auf seinem Landhause,
die er uns genau genug beschrieben, enthält das Muster eines weisen und glücklichen
Landlebens, das damals so mancher edle Römer genoß.

[Abbildung]
a.
Von den Villen.

Die Villen entstanden in den frühern Zeiten, als unter den Römern Lände-
reyen zum Anbau vertheilet wurden. Sie brachten ihre Feldfrüchte dahin. Mit
der Einfalt war noch eine gewisse Dürftigkeit vereiniget. Keine Pracht, keine Aus-
zierung; überall nur Hütten für den Hirten und Säemann. Sie pflanzten umher
noch nichts zur Ergötzung des Auges oder des Geruchs, sondern nur allein, was un-
mittelbaren Vortheil gab. Nachher aber erweiterten sie ihre Villen nicht blos zur
Bequemlichkeit, sondern auch zur Größe und Pracht.

Die schönsten Gegenden wurden ausgewählt, und mit einer unzähligen Menge
von Landhäusern der vornehmen römischen Familien bebauet. Setien liebten die
Römer der Fruchtbarkeit der Felder, der Jagd, des Fischfangs und des guten
Weins wegen. Nicht weniger empfahl sich Albanien durch die Milde des Him-
mels und durch den Reiz der Landschaft. Tiburs gesunde, heitre und mit den treff-
lichsten Weintrauben bereicherte Hügel sind von Dichtern, Geschichtschreibern und

Rednern
*) Cicero Orat. Phil. II.
**) Lib. 1. epist. 9. lib. 9. epist. 36. conf. Martial. lib. 4. epigr. 90.

Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten
pfindlich genug. Man lobte an der Tafel vortreffliche Maͤnner, vergaß unter ihrem
Lobe alles, was die Welt verdruͤßliches hat, und glaubte des Landlebens nicht wuͤr-
diger zu ſeyn, als ſich mit ſo erheblichen Gedanken und Geſpraͤchen, wie einſt M.
Varro,
zu beſchaͤftigen. *) Die Lebensart des Plinius **) auf ſeinem Landhauſe,
die er uns genau genug beſchrieben, enthaͤlt das Muſter eines weiſen und gluͤcklichen
Landlebens, das damals ſo mancher edle Roͤmer genoß.

[Abbildung]
a.
Von den Villen.

Die Villen entſtanden in den fruͤhern Zeiten, als unter den Roͤmern Laͤnde-
reyen zum Anbau vertheilet wurden. Sie brachten ihre Feldfruͤchte dahin. Mit
der Einfalt war noch eine gewiſſe Duͤrftigkeit vereiniget. Keine Pracht, keine Aus-
zierung; uͤberall nur Huͤtten fuͤr den Hirten und Saͤemann. Sie pflanzten umher
noch nichts zur Ergoͤtzung des Auges oder des Geruchs, ſondern nur allein, was un-
mittelbaren Vortheil gab. Nachher aber erweiterten ſie ihre Villen nicht blos zur
Bequemlichkeit, ſondern auch zur Groͤße und Pracht.

Die ſchoͤnſten Gegenden wurden ausgewaͤhlt, und mit einer unzaͤhligen Menge
von Landhaͤuſern der vornehmen roͤmiſchen Familien bebauet. Setien liebten die
Roͤmer der Fruchtbarkeit der Felder, der Jagd, des Fiſchfangs und des guten
Weins wegen. Nicht weniger empfahl ſich Albanien durch die Milde des Him-
mels und durch den Reiz der Landſchaft. Tiburs geſunde, heitre und mit den treff-
lichſten Weintrauben bereicherte Huͤgel ſind von Dichtern, Geſchichtſchreibern und

Rednern
*) Cicero Orat. Phil. II.
**) Lib. 1. epiſt. 9. lib. 9. epiſt. 36. conf. Martial. lib. 4. epigr. 90.
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[14/0028] Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten pfindlich genug. Man lobte an der Tafel vortreffliche Maͤnner, vergaß unter ihrem Lobe alles, was die Welt verdruͤßliches hat, und glaubte des Landlebens nicht wuͤr- diger zu ſeyn, als ſich mit ſo erheblichen Gedanken und Geſpraͤchen, wie einſt M. Varro, zu beſchaͤftigen. *) Die Lebensart des Plinius **) auf ſeinem Landhauſe, die er uns genau genug beſchrieben, enthaͤlt das Muſter eines weiſen und gluͤcklichen Landlebens, das damals ſo mancher edle Roͤmer genoß. [Abbildung] a. Von den Villen. Die Villen entſtanden in den fruͤhern Zeiten, als unter den Roͤmern Laͤnde- reyen zum Anbau vertheilet wurden. Sie brachten ihre Feldfruͤchte dahin. Mit der Einfalt war noch eine gewiſſe Duͤrftigkeit vereiniget. Keine Pracht, keine Aus- zierung; uͤberall nur Huͤtten fuͤr den Hirten und Saͤemann. Sie pflanzten umher noch nichts zur Ergoͤtzung des Auges oder des Geruchs, ſondern nur allein, was un- mittelbaren Vortheil gab. Nachher aber erweiterten ſie ihre Villen nicht blos zur Bequemlichkeit, ſondern auch zur Groͤße und Pracht. Die ſchoͤnſten Gegenden wurden ausgewaͤhlt, und mit einer unzaͤhligen Menge von Landhaͤuſern der vornehmen roͤmiſchen Familien bebauet. Setien liebten die Roͤmer der Fruchtbarkeit der Felder, der Jagd, des Fiſchfangs und des guten Weins wegen. Nicht weniger empfahl ſich Albanien durch die Milde des Him- mels und durch den Reiz der Landſchaft. Tiburs geſunde, heitre und mit den treff- lichſten Weintrauben bereicherte Huͤgel ſind von Dichtern, Geſchichtſchreibern und Rednern *) Cicero Orat. Phil. II. **) Lib. 1. epiſt. 9. lib. 9. epiſt. 36. conf. Martial. lib. 4. epigr. 90.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/28>, abgerufen am 28.03.2024.