Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

der Landschaft und ihren Wirkungen.
seyn, die eine Art von Ehrfurcht einflößt. Gefühle der Ruhe durchschauern die Seele,
und lassen sie, ohne eine vorsetzliche Entschließung, in ein gelassenes Nachsinnen, in
ein holdes Staunen dahinschweben. Nur selten wird seine Ausdehnung und Dun-
kelheit so groß oder ungewöhnlich seyn, daß er, außer der Zufälligkeit eines heftigen
Sturms, Erstaunen oder Bewunderung erregt; ein hohes Gefühl von Wonne ist ge-
meiniglich seine Wirkung.

Lebhaftigkeit, Heiterkeit und Frölichkeit ist das Eigenthum des kleinern und
dünnern Waldes oder des Hains, der edle, schlanke, nicht hoch aber zierlich gewach-
sene Bäume, ein frisches helles Laubwerk, durchsichtige Zwischenräume, einen ebenen
von Unterholz und Gesträuch freyen Boden hat. Die Wallungen des Laubes, das
der leichter durchstreifende Wind in Bewegung setzt, das auf den Blättern und auf
dem Boden umherhüpfende Spiel des Lichts und des Schattens, die durchbrechende
Vergoldung der aufgehenden und niedersinkenden Sonne, der sanft durch die Gipfel
herabschleichende Schimmer des Monds sind die schönsten Zufälligkeiten zur Verzie-
rung eines Hains.

Die Natur bedient sich übrigens der Gehölze als eines wichtigen Mittels,
Scenen von verschiedenen Charakteren zu bilden, als ruhige, einsame, öde, melan-
cholische, finstre, muntre, liebliche, heitere -- nach der verschiedenen Beschaffenheit,
Anordnung und Verbindung der Stämme, des Wuchses, des Grüns und des Laub-
werks, wie wir in der Folge an einem andern Orte sehen werden.

[Abbildung]

8. Wasser.

der Landſchaft und ihren Wirkungen.
ſeyn, die eine Art von Ehrfurcht einfloͤßt. Gefuͤhle der Ruhe durchſchauern die Seele,
und laſſen ſie, ohne eine vorſetzliche Entſchließung, in ein gelaſſenes Nachſinnen, in
ein holdes Staunen dahinſchweben. Nur ſelten wird ſeine Ausdehnung und Dun-
kelheit ſo groß oder ungewoͤhnlich ſeyn, daß er, außer der Zufaͤlligkeit eines heftigen
Sturms, Erſtaunen oder Bewunderung erregt; ein hohes Gefuͤhl von Wonne iſt ge-
meiniglich ſeine Wirkung.

Lebhaftigkeit, Heiterkeit und Froͤlichkeit iſt das Eigenthum des kleinern und
duͤnnern Waldes oder des Hains, der edle, ſchlanke, nicht hoch aber zierlich gewach-
ſene Baͤume, ein friſches helles Laubwerk, durchſichtige Zwiſchenraͤume, einen ebenen
von Unterholz und Geſtraͤuch freyen Boden hat. Die Wallungen des Laubes, das
der leichter durchſtreifende Wind in Bewegung ſetzt, das auf den Blaͤttern und auf
dem Boden umherhuͤpfende Spiel des Lichts und des Schattens, die durchbrechende
Vergoldung der aufgehenden und niederſinkenden Sonne, der ſanft durch die Gipfel
herabſchleichende Schimmer des Monds ſind die ſchoͤnſten Zufaͤlligkeiten zur Verzie-
rung eines Hains.

Die Natur bedient ſich uͤbrigens der Gehoͤlze als eines wichtigen Mittels,
Scenen von verſchiedenen Charakteren zu bilden, als ruhige, einſame, oͤde, melan-
choliſche, finſtre, muntre, liebliche, heitere — nach der verſchiedenen Beſchaffenheit,
Anordnung und Verbindung der Staͤmme, des Wuchſes, des Gruͤns und des Laub-
werks, wie wir in der Folge an einem andern Orte ſehen werden.

[Abbildung]

8. Waſſer.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <p><pb facs="#f0213" n="199"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Land&#x017F;chaft und ihren Wirkungen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;eyn, die eine Art von Ehrfurcht einflo&#x0364;ßt. Gefu&#x0364;hle der Ruhe durch&#x017F;chauern die Seele,<lb/>
und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie, ohne eine vor&#x017F;etzliche Ent&#x017F;chließung, in ein gela&#x017F;&#x017F;enes Nach&#x017F;innen, in<lb/>
ein holdes Staunen dahin&#x017F;chweben. Nur &#x017F;elten wird &#x017F;eine Ausdehnung und Dun-<lb/>
kelheit &#x017F;o groß oder ungewo&#x0364;hnlich &#x017F;eyn, daß er, außer der Zufa&#x0364;lligkeit eines heftigen<lb/>
Sturms, Er&#x017F;taunen oder Bewunderung erregt; ein hohes Gefu&#x0364;hl von Wonne i&#x017F;t ge-<lb/>
meiniglich &#x017F;eine Wirkung.</p><lb/>
            <p>Lebhaftigkeit, Heiterkeit und Fro&#x0364;lichkeit i&#x017F;t das Eigenthum des kleinern und<lb/>
du&#x0364;nnern Waldes oder des Hains, der edle, &#x017F;chlanke, nicht hoch aber zierlich gewach-<lb/>
&#x017F;ene Ba&#x0364;ume, ein fri&#x017F;ches helles Laubwerk, durch&#x017F;ichtige Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume, einen ebenen<lb/>
von Unterholz und Ge&#x017F;tra&#x0364;uch freyen Boden hat. Die Wallungen des Laubes, das<lb/>
der leichter durch&#x017F;treifende Wind in Bewegung &#x017F;etzt, das auf den Bla&#x0364;ttern und auf<lb/>
dem Boden umherhu&#x0364;pfende Spiel des Lichts und des Schattens, die durchbrechende<lb/>
Vergoldung der aufgehenden und nieder&#x017F;inkenden Sonne, der &#x017F;anft durch die Gipfel<lb/>
herab&#x017F;chleichende Schimmer des Monds &#x017F;ind die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Zufa&#x0364;lligkeiten zur Verzie-<lb/>
rung eines Hains.</p><lb/>
            <p>Die Natur bedient &#x017F;ich u&#x0364;brigens der Geho&#x0364;lze als eines wichtigen Mittels,<lb/>
Scenen von ver&#x017F;chiedenen Charakteren zu bilden, als ruhige, ein&#x017F;ame, o&#x0364;de, melan-<lb/>
choli&#x017F;che, fin&#x017F;tre, muntre, liebliche, heitere &#x2014; nach der ver&#x017F;chiedenen Be&#x017F;chaffenheit,<lb/>
Anordnung und Verbindung der Sta&#x0364;mme, des Wuch&#x017F;es, des Gru&#x0364;ns und des Laub-<lb/>
werks, wie wir in der Folge an einem andern Orte &#x017F;ehen werden.</p><lb/>
            <figure/>
          </div>
          <fw place="bottom" type="catch">8. Wa&#x017F;&#x017F;er.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0213] der Landſchaft und ihren Wirkungen. ſeyn, die eine Art von Ehrfurcht einfloͤßt. Gefuͤhle der Ruhe durchſchauern die Seele, und laſſen ſie, ohne eine vorſetzliche Entſchließung, in ein gelaſſenes Nachſinnen, in ein holdes Staunen dahinſchweben. Nur ſelten wird ſeine Ausdehnung und Dun- kelheit ſo groß oder ungewoͤhnlich ſeyn, daß er, außer der Zufaͤlligkeit eines heftigen Sturms, Erſtaunen oder Bewunderung erregt; ein hohes Gefuͤhl von Wonne iſt ge- meiniglich ſeine Wirkung. Lebhaftigkeit, Heiterkeit und Froͤlichkeit iſt das Eigenthum des kleinern und duͤnnern Waldes oder des Hains, der edle, ſchlanke, nicht hoch aber zierlich gewach- ſene Baͤume, ein friſches helles Laubwerk, durchſichtige Zwiſchenraͤume, einen ebenen von Unterholz und Geſtraͤuch freyen Boden hat. Die Wallungen des Laubes, das der leichter durchſtreifende Wind in Bewegung ſetzt, das auf den Blaͤttern und auf dem Boden umherhuͤpfende Spiel des Lichts und des Schattens, die durchbrechende Vergoldung der aufgehenden und niederſinkenden Sonne, der ſanft durch die Gipfel herabſchleichende Schimmer des Monds ſind die ſchoͤnſten Zufaͤlligkeiten zur Verzie- rung eines Hains. Die Natur bedient ſich uͤbrigens der Gehoͤlze als eines wichtigen Mittels, Scenen von verſchiedenen Charakteren zu bilden, als ruhige, einſame, oͤde, melan- choliſche, finſtre, muntre, liebliche, heitere — nach der verſchiedenen Beſchaffenheit, Anordnung und Verbindung der Staͤmme, des Wuchſes, des Gruͤns und des Laub- werks, wie wir in der Folge an einem andern Orte ſehen werden. [Abbildung] 8. Waſſer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/213
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/213>, abgerufen am 24.04.2024.