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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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der Alten und der Neuen.
Man erblickt nichts mehr, als einen nützlichen Fruchtgarten in einem dazu besonders
abgetheilten Strich Landes.

Dieses Beyspiel der Nutzbarkeit und der Einfalt in den Gärten mußte den spä-
tern Griechen, die immer noch in dem Homer ihren Lehrer erkannten, beständig
vor Augen schweben und ihnen zur Regel werden, von welcher abzuweichen sie sich
nach aller Vermuthung nicht erlaubten. Hohe Platanen, die Schatten warfen,
und fließendes Wasser, das Kühlung gab, waren mit einigen Statuen fast die ein-
zigen Schönheiten in den Gärten der Philosophen zu Athen. In den Romanen
des Heliodor, Achilles Tatius und Eustathius aus den letzten Zeiten der Grie-
chen,
beweisen die eingestreuten Beschreibungen der Gärten, daß sie damals noch
ganz ohne eine sorgfältige Anlage, ohne Abwechselung und Zierde gewesen. [Spaltenumbruch] *)

[Abbildung]
4. Villen
*) In dem zweyten Bande der Pitture
antiche d'Ercolano
kommt auf der 20sten
Tafel ein bey Portici entdecktes Gemälde
vor, das nicht eigentlich einen griechischen
Garten, wie man vorgegeben, sondern
blos ein Gartenstück vorstellt, wie auch die
neuern Maler oft geliefert haben. Es
sind vier Lauben symmetrisch angelegt und
durch ein mit Vasen geziertes Gitterwerk
mit einander verbunden. Die beyden
Lauben am Ende stimmen, so wie die bey-
den in der Mitte, in Form und Verhält-
[Spaltenumbruch] niß überein. In jeder der beyden mittel-
sten sprudelt ein Springbrunnen. Weil
auf den Lauben in der Mitte Vögel sitzen,
so hat man sie für Vogelhäuser angesehen,
welchem aber ihre Einrichtung widerspricht.
Hinter dem Gitterwerk lassen sich Pflanzen
und Blumen sehen. -- Wahrscheinlich ist
dieses Gemälde in spätern Zeiten verfertigt,
und eine bloße Phantasie des Künstlers. --
Dieses gilt auch von der Vorstellung auf
der 49sten Tafel, die fast im gleichen Ge-
schmack ist.
B 2

der Alten und der Neuen.
Man erblickt nichts mehr, als einen nuͤtzlichen Fruchtgarten in einem dazu beſonders
abgetheilten Strich Landes.

Dieſes Beyſpiel der Nutzbarkeit und der Einfalt in den Gaͤrten mußte den ſpaͤ-
tern Griechen, die immer noch in dem Homer ihren Lehrer erkannten, beſtaͤndig
vor Augen ſchweben und ihnen zur Regel werden, von welcher abzuweichen ſie ſich
nach aller Vermuthung nicht erlaubten. Hohe Platanen, die Schatten warfen,
und fließendes Waſſer, das Kuͤhlung gab, waren mit einigen Statuen faſt die ein-
zigen Schoͤnheiten in den Gaͤrten der Philoſophen zu Athen. In den Romanen
des Heliodor, Achilles Tatius und Euſtathius aus den letzten Zeiten der Grie-
chen,
beweiſen die eingeſtreuten Beſchreibungen der Gaͤrten, daß ſie damals noch
ganz ohne eine ſorgfaͤltige Anlage, ohne Abwechſelung und Zierde geweſen. [Spaltenumbruch] *)

[Abbildung]
4. Villen
*) In dem zweyten Bande der Pitture
antiche d’Ercolano
kommt auf der 20ſten
Tafel ein bey Portici entdecktes Gemaͤlde
vor, das nicht eigentlich einen griechiſchen
Garten, wie man vorgegeben, ſondern
blos ein Gartenſtuͤck vorſtellt, wie auch die
neuern Maler oft geliefert haben. Es
ſind vier Lauben ſymmetriſch angelegt und
durch ein mit Vaſen geziertes Gitterwerk
mit einander verbunden. Die beyden
Lauben am Ende ſtimmen, ſo wie die bey-
den in der Mitte, in Form und Verhaͤlt-
[Spaltenumbruch] niß uͤberein. In jeder der beyden mittel-
ſten ſprudelt ein Springbrunnen. Weil
auf den Lauben in der Mitte Voͤgel ſitzen,
ſo hat man ſie fuͤr Vogelhaͤuſer angeſehen,
welchem aber ihre Einrichtung widerſpricht.
Hinter dem Gitterwerk laſſen ſich Pflanzen
und Blumen ſehen. — Wahrſcheinlich iſt
dieſes Gemaͤlde in ſpaͤtern Zeiten verfertigt,
und eine bloße Phantaſie des Kuͤnſtlers. —
Dieſes gilt auch von der Vorſtellung auf
der 49ſten Tafel, die faſt im gleichen Ge-
ſchmack iſt.
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[11/0025] der Alten und der Neuen. Man erblickt nichts mehr, als einen nuͤtzlichen Fruchtgarten in einem dazu beſonders abgetheilten Strich Landes. Dieſes Beyſpiel der Nutzbarkeit und der Einfalt in den Gaͤrten mußte den ſpaͤ- tern Griechen, die immer noch in dem Homer ihren Lehrer erkannten, beſtaͤndig vor Augen ſchweben und ihnen zur Regel werden, von welcher abzuweichen ſie ſich nach aller Vermuthung nicht erlaubten. Hohe Platanen, die Schatten warfen, und fließendes Waſſer, das Kuͤhlung gab, waren mit einigen Statuen faſt die ein- zigen Schoͤnheiten in den Gaͤrten der Philoſophen zu Athen. In den Romanen des Heliodor, Achilles Tatius und Euſtathius aus den letzten Zeiten der Grie- chen, beweiſen die eingeſtreuten Beſchreibungen der Gaͤrten, daß ſie damals noch ganz ohne eine ſorgfaͤltige Anlage, ohne Abwechſelung und Zierde geweſen. *) 4. Villen [Abbildung] *) In dem zweyten Bande der Pitture antiche d’Ercolano kommt auf der 20ſten Tafel ein bey Portici entdecktes Gemaͤlde vor, das nicht eigentlich einen griechiſchen Garten, wie man vorgegeben, ſondern blos ein Gartenſtuͤck vorſtellt, wie auch die neuern Maler oft geliefert haben. Es ſind vier Lauben ſymmetriſch angelegt und durch ein mit Vaſen geziertes Gitterwerk mit einander verbunden. Die beyden Lauben am Ende ſtimmen, ſo wie die bey- den in der Mitte, in Form und Verhaͤlt- niß uͤberein. In jeder der beyden mittel- ſten ſprudelt ein Springbrunnen. Weil auf den Lauben in der Mitte Voͤgel ſitzen, ſo hat man ſie fuͤr Vogelhaͤuſer angeſehen, welchem aber ihre Einrichtung widerſpricht. Hinter dem Gitterwerk laſſen ſich Pflanzen und Blumen ſehen. — Wahrſcheinlich iſt dieſes Gemaͤlde in ſpaͤtern Zeiten verfertigt, und eine bloße Phantaſie des Kuͤnſtlers. — Dieſes gilt auch von der Vorſtellung auf der 49ſten Tafel, die faſt im gleichen Ge- ſchmack iſt. B 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/25>, abgerufen am 24.04.2024.