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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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der Alten und der Neuen.
schreibung, worin Plinius vornehmlich der Gebäude im Garten und um die Haupt-
wohnung her gedenkt, wird noch eines Gartenaltans oder einer Erderhöhung erwäh-
net, die mit wohlriechenden Veilchen bepflanzt war.

Etwas genauer hat er den Garten zu Tuscum geschildert, ohne Zweifel, weil
er durch die eigene Anlegung des Besitzers, wie ausdrücklich bemerkt wird, mehr An-
nehmlichkeit für ihn erhalten zu haben schien. Zu den mancherley Theilen dieses
Gartens gehörte ein offener, freyer Platz oder erhabener Gang, der in vielerley Absätze
und Gestalten getheilt und mit Buchsbaum umfaßt war. Etwas weiter davon ein
sanft abhängender Rasenteppich, auf welchem verschiedene einander entgegengesetzte
Figuren von Thieren (der Anfang der Gartentändeley) mit Buchsbaum vorgestellt
wurden; der Boden dazwischen war mit schönem Bärenklau gezieret. Rings um-
her lief ein Spaziergang, von dicken und auf verschiedene Weise beschnittenen grünen
Bäumen eingesaßt. Nach diesem folgte ein Baumgang nach Art eines Rennplatzes,
der Buchsbaum von mancherley Form und niedrige geschorne Bäumchen in sich schloß.
Alle diese Scenen waren von einer Mauer umgeben, die mit Buchsbaum bedeckt den
Augen entzogen war. In dem Verfolg der Schilderung kömmt Plinius bald auf
die Gebäude, bald auf die übrigen Stücke, die zu dem Gartenplatz gerechnet werden
können. Zu den ersten gehören vornehmlich die Reitbahn, die Bäder, der Speise-
saal, das Schlafzimmer, wohin weder Sonnenhitze noch Geräusch dringen konnte.
Von außen schlängelten sich die Ranken des Weinstocks an den Fenstern hinauf, und
inwendig war Auszierung von Marmor und Malerey von Vögeln, die auf Zweigen
saßen, unter welchen eine Quelle rauschte; eine glückliche Ausschmückung eines Gar-
tengebäudes. In dem übrigen Theil des Gartenplatzes erschienen bald Marmor-
bänke, die sich zum Ausruhen darboten, bey welchen anmuthige Quellen umher rie-
selten, die hie und da hingeleitet das Grüne durch Wässerung belebten; bald sprin-
gendes Wasser oder Fontainen, (oft fälschlich für eine Erfindung der Neuern ausgege-
ben,) die sich in marmorne Becken gossen; bald Gänge, die von Buchsbaum durch-
schnitten und eingefaßt waren. Außer den Prospecten, die das Innere des Gartens
selbst verschaffte, hatte man Aussichten auf Weinberge, Felder, Wiesen, Berge,
Wälder voll natürlicher Schönheit; Aussichten, die den Aufenthalt im Garten er-
götzender machen mußten, ohne daß eben dadurch seine Einrichtung selbst zu einem
Muster erhoben werden könnte, wie man unbedächtig vorgegeben hat.

Wer selbst untersucht hat, der wird noch immer eingestehen, daß es sehr schwer
ist, sich von der Anlage und Verbindung aller Gegenstände dieses Gartens einen ganz
bestimmten Begriff zu machen; wenn man nicht etwa, wie Felibien, nach dem

Modell,
I Band. D

der Alten und der Neuen.
ſchreibung, worin Plinius vornehmlich der Gebaͤude im Garten und um die Haupt-
wohnung her gedenkt, wird noch eines Gartenaltans oder einer Erderhoͤhung erwaͤh-
net, die mit wohlriechenden Veilchen bepflanzt war.

Etwas genauer hat er den Garten zu Tuſcum geſchildert, ohne Zweifel, weil
er durch die eigene Anlegung des Beſitzers, wie ausdruͤcklich bemerkt wird, mehr An-
nehmlichkeit fuͤr ihn erhalten zu haben ſchien. Zu den mancherley Theilen dieſes
Gartens gehoͤrte ein offener, freyer Platz oder erhabener Gang, der in vielerley Abſaͤtze
und Geſtalten getheilt und mit Buchsbaum umfaßt war. Etwas weiter davon ein
ſanft abhaͤngender Raſenteppich, auf welchem verſchiedene einander entgegengeſetzte
Figuren von Thieren (der Anfang der Gartentaͤndeley) mit Buchsbaum vorgeſtellt
wurden; der Boden dazwiſchen war mit ſchoͤnem Baͤrenklau gezieret. Rings um-
her lief ein Spaziergang, von dicken und auf verſchiedene Weiſe beſchnittenen gruͤnen
Baͤumen eingeſaßt. Nach dieſem folgte ein Baumgang nach Art eines Rennplatzes,
der Buchsbaum von mancherley Form und niedrige geſchorne Baͤumchen in ſich ſchloß.
Alle dieſe Scenen waren von einer Mauer umgeben, die mit Buchsbaum bedeckt den
Augen entzogen war. In dem Verfolg der Schilderung koͤmmt Plinius bald auf
die Gebaͤude, bald auf die uͤbrigen Stuͤcke, die zu dem Gartenplatz gerechnet werden
koͤnnen. Zu den erſten gehoͤren vornehmlich die Reitbahn, die Baͤder, der Speiſe-
ſaal, das Schlafzimmer, wohin weder Sonnenhitze noch Geraͤuſch dringen konnte.
Von außen ſchlaͤngelten ſich die Ranken des Weinſtocks an den Fenſtern hinauf, und
inwendig war Auszierung von Marmor und Malerey von Voͤgeln, die auf Zweigen
ſaßen, unter welchen eine Quelle rauſchte; eine gluͤckliche Ausſchmuͤckung eines Gar-
tengebaͤudes. In dem uͤbrigen Theil des Gartenplatzes erſchienen bald Marmor-
baͤnke, die ſich zum Ausruhen darboten, bey welchen anmuthige Quellen umher rie-
ſelten, die hie und da hingeleitet das Gruͤne durch Waͤſſerung belebten; bald ſprin-
gendes Waſſer oder Fontainen, (oft faͤlſchlich fuͤr eine Erfindung der Neuern ausgege-
ben,) die ſich in marmorne Becken goſſen; bald Gaͤnge, die von Buchsbaum durch-
ſchnitten und eingefaßt waren. Außer den Proſpecten, die das Innere des Gartens
ſelbſt verſchaffte, hatte man Ausſichten auf Weinberge, Felder, Wieſen, Berge,
Waͤlder voll natuͤrlicher Schoͤnheit; Ausſichten, die den Aufenthalt im Garten er-
goͤtzender machen mußten, ohne daß eben dadurch ſeine Einrichtung ſelbſt zu einem
Muſter erhoben werden koͤnnte, wie man unbedaͤchtig vorgegeben hat.

Wer ſelbſt unterſucht hat, der wird noch immer eingeſtehen, daß es ſehr ſchwer
iſt, ſich von der Anlage und Verbindung aller Gegenſtaͤnde dieſes Gartens einen ganz
beſtimmten Begriff zu machen; wenn man nicht etwa, wie Felibien, nach dem

Modell,
I Band. D
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[25/0039] der Alten und der Neuen. ſchreibung, worin Plinius vornehmlich der Gebaͤude im Garten und um die Haupt- wohnung her gedenkt, wird noch eines Gartenaltans oder einer Erderhoͤhung erwaͤh- net, die mit wohlriechenden Veilchen bepflanzt war. Etwas genauer hat er den Garten zu Tuſcum geſchildert, ohne Zweifel, weil er durch die eigene Anlegung des Beſitzers, wie ausdruͤcklich bemerkt wird, mehr An- nehmlichkeit fuͤr ihn erhalten zu haben ſchien. Zu den mancherley Theilen dieſes Gartens gehoͤrte ein offener, freyer Platz oder erhabener Gang, der in vielerley Abſaͤtze und Geſtalten getheilt und mit Buchsbaum umfaßt war. Etwas weiter davon ein ſanft abhaͤngender Raſenteppich, auf welchem verſchiedene einander entgegengeſetzte Figuren von Thieren (der Anfang der Gartentaͤndeley) mit Buchsbaum vorgeſtellt wurden; der Boden dazwiſchen war mit ſchoͤnem Baͤrenklau gezieret. Rings um- her lief ein Spaziergang, von dicken und auf verſchiedene Weiſe beſchnittenen gruͤnen Baͤumen eingeſaßt. Nach dieſem folgte ein Baumgang nach Art eines Rennplatzes, der Buchsbaum von mancherley Form und niedrige geſchorne Baͤumchen in ſich ſchloß. Alle dieſe Scenen waren von einer Mauer umgeben, die mit Buchsbaum bedeckt den Augen entzogen war. In dem Verfolg der Schilderung koͤmmt Plinius bald auf die Gebaͤude, bald auf die uͤbrigen Stuͤcke, die zu dem Gartenplatz gerechnet werden koͤnnen. Zu den erſten gehoͤren vornehmlich die Reitbahn, die Baͤder, der Speiſe- ſaal, das Schlafzimmer, wohin weder Sonnenhitze noch Geraͤuſch dringen konnte. Von außen ſchlaͤngelten ſich die Ranken des Weinſtocks an den Fenſtern hinauf, und inwendig war Auszierung von Marmor und Malerey von Voͤgeln, die auf Zweigen ſaßen, unter welchen eine Quelle rauſchte; eine gluͤckliche Ausſchmuͤckung eines Gar- tengebaͤudes. In dem uͤbrigen Theil des Gartenplatzes erſchienen bald Marmor- baͤnke, die ſich zum Ausruhen darboten, bey welchen anmuthige Quellen umher rie- ſelten, die hie und da hingeleitet das Gruͤne durch Waͤſſerung belebten; bald ſprin- gendes Waſſer oder Fontainen, (oft faͤlſchlich fuͤr eine Erfindung der Neuern ausgege- ben,) die ſich in marmorne Becken goſſen; bald Gaͤnge, die von Buchsbaum durch- ſchnitten und eingefaßt waren. Außer den Proſpecten, die das Innere des Gartens ſelbſt verſchaffte, hatte man Ausſichten auf Weinberge, Felder, Wieſen, Berge, Waͤlder voll natuͤrlicher Schoͤnheit; Ausſichten, die den Aufenthalt im Garten er- goͤtzender machen mußten, ohne daß eben dadurch ſeine Einrichtung ſelbſt zu einem Muſter erhoben werden koͤnnte, wie man unbedaͤchtig vorgegeben hat. Wer ſelbſt unterſucht hat, der wird noch immer eingeſtehen, daß es ſehr ſchwer iſt, ſich von der Anlage und Verbindung aller Gegenſtaͤnde dieſes Gartens einen ganz beſtimmten Begriff zu machen; wenn man nicht etwa, wie Felibien, nach dem Modell, I Band. D

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/39>, abgerufen am 18.04.2024.