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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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der Alten und der Neuen.

Die Zeiten, die nach dem Ende der römischen Republik folgten, die Gewalt-
thätigkeiten verschiedener Kaiser, die Einfälle barbarischer Völker, und die mit un-
zähligen Unruhen wieder einreißende Wildheit, unterdrückten den Geschmack an dem
Landleben, je mehr jetzt die schöne Natur und die vormals so angenehmen Landsitze
verheert wurden. So viele Verwüstungen, die schnell hinter einander in Italien
einstürmten, mußten auch diesen reizenden Scenen, wie vielen andern, bald einen
völligen Untergang zuziehen. Der Barbar siegte über den Menschen, wie über die
Künste. Die Waffen wurden wieder die vornehmste Beschäftigung. Und die Ver-
mischung der abergläubischen Gesinnung mit der kriegerischen mußte bald einen Geist
ausbreiten, der von der edeln Einfalt und von den reinen Freuden der Natur abführte.
Die Vermengung so vieler verschiedener Völkerschaften half nicht weniger einen ver-
dorbenen Geschmack ausbreiten. Das unbeschützte Eigenthum ward geraubt und
verwüstet; und wenn der Feldbau noch einige Cultur empfieng, so war es blos Noth-
durft, die dazu trieb.

Man fieng an die Gegenden für die schönsten zu halten, wo ein Kloster sich
neben dem andern erhob. Die Baukunst schien sich ein Verdienst der Heiligkeit
daraus zu machen, blos Capellen und Kirchen zu errichten. Und wenn sie sich mit
andern Gebäuden befaßte, so waren es gothische Klumpen von Schlössern, mehr zur
Vertheidigung, als zur Anmuth, mehr schrecklich als schön, auf steilen Felsen in
wilden Gegenden aufgethürmt.

Indessen waren bis ins zwölfte Jahrhundert die Mönche fast die einzigen, die
sich des verlassenen Landbaues annahmen. Ihr Eifer trieb sie zum Theil in einsame
Wüsten und ungesunde Gegenden, in Waldungen und Gebirge, um der Verführung
der Zeit auszuweichen und die Sinnlichkeit zu bekämpfen. Hier bebaueten sie so
manche Wildniß mit eigenen Händen. Die Fürsten schenkten ihrem Fleiße Lände-
reyen, Wohnungen und Knechte. Dieses Verdienst, das Land durch Anbau aus
seiner alten Unfruchtbarkeit, worin es unter den Einfällen barbarischer Völker ver-
sunken war, heraus zu reißen, erwarben sich besonders die Basilianer und Bene-
dictiner
in Italien. Auch in Frankreich, in England und Schottland waren
die Mönche die ersten Verbesserer des Landes. Ohne ihre nützliche Beschäftigung
wären viele Gegenden, die jetzt tausend Menschen ernähren, Einöden, Moräste und
ein Aufenthalt wilder Thiere geblieben.

Allein die Barbarey der Zeit war noch zu mächtig, als daß bey dieser Liebe
zum Landbau sich zugleich schon ein guter Geschmack an Lustgärten hätte erheben kön-
nen. Diesem näherten sich am meisten die später errichteten Mönchsorden, die in

der
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der Alten und der Neuen.

Die Zeiten, die nach dem Ende der roͤmiſchen Republik folgten, die Gewalt-
thaͤtigkeiten verſchiedener Kaiſer, die Einfaͤlle barbariſcher Voͤlker, und die mit un-
zaͤhligen Unruhen wieder einreißende Wildheit, unterdruͤckten den Geſchmack an dem
Landleben, je mehr jetzt die ſchoͤne Natur und die vormals ſo angenehmen Landſitze
verheert wurden. So viele Verwuͤſtungen, die ſchnell hinter einander in Italien
einſtuͤrmten, mußten auch dieſen reizenden Scenen, wie vielen andern, bald einen
voͤlligen Untergang zuziehen. Der Barbar ſiegte uͤber den Menſchen, wie uͤber die
Kuͤnſte. Die Waffen wurden wieder die vornehmſte Beſchaͤftigung. Und die Ver-
miſchung der aberglaͤubiſchen Geſinnung mit der kriegeriſchen mußte bald einen Geiſt
ausbreiten, der von der edeln Einfalt und von den reinen Freuden der Natur abfuͤhrte.
Die Vermengung ſo vieler verſchiedener Voͤlkerſchaften half nicht weniger einen ver-
dorbenen Geſchmack ausbreiten. Das unbeſchuͤtzte Eigenthum ward geraubt und
verwuͤſtet; und wenn der Feldbau noch einige Cultur empfieng, ſo war es blos Noth-
durft, die dazu trieb.

Man fieng an die Gegenden fuͤr die ſchoͤnſten zu halten, wo ein Kloſter ſich
neben dem andern erhob. Die Baukunſt ſchien ſich ein Verdienſt der Heiligkeit
daraus zu machen, blos Capellen und Kirchen zu errichten. Und wenn ſie ſich mit
andern Gebaͤuden befaßte, ſo waren es gothiſche Klumpen von Schloͤſſern, mehr zur
Vertheidigung, als zur Anmuth, mehr ſchrecklich als ſchoͤn, auf ſteilen Felſen in
wilden Gegenden aufgethuͤrmt.

Indeſſen waren bis ins zwoͤlfte Jahrhundert die Moͤnche faſt die einzigen, die
ſich des verlaſſenen Landbaues annahmen. Ihr Eifer trieb ſie zum Theil in einſame
Wuͤſten und ungeſunde Gegenden, in Waldungen und Gebirge, um der Verfuͤhrung
der Zeit auszuweichen und die Sinnlichkeit zu bekaͤmpfen. Hier bebaueten ſie ſo
manche Wildniß mit eigenen Haͤnden. Die Fuͤrſten ſchenkten ihrem Fleiße Laͤnde-
reyen, Wohnungen und Knechte. Dieſes Verdienſt, das Land durch Anbau aus
ſeiner alten Unfruchtbarkeit, worin es unter den Einfaͤllen barbariſcher Voͤlker ver-
ſunken war, heraus zu reißen, erwarben ſich beſonders die Baſilianer und Bene-
dictiner
in Italien. Auch in Frankreich, in England und Schottland waren
die Moͤnche die erſten Verbeſſerer des Landes. Ohne ihre nuͤtzliche Beſchaͤftigung
waͤren viele Gegenden, die jetzt tauſend Menſchen ernaͤhren, Einoͤden, Moraͤſte und
ein Aufenthalt wilder Thiere geblieben.

Allein die Barbarey der Zeit war noch zu maͤchtig, als daß bey dieſer Liebe
zum Landbau ſich zugleich ſchon ein guter Geſchmack an Luſtgaͤrten haͤtte erheben koͤn-
nen. Dieſem naͤherten ſich am meiſten die ſpaͤter errichteten Moͤnchsorden, die in

der
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[27/0041] der Alten und der Neuen. Die Zeiten, die nach dem Ende der roͤmiſchen Republik folgten, die Gewalt- thaͤtigkeiten verſchiedener Kaiſer, die Einfaͤlle barbariſcher Voͤlker, und die mit un- zaͤhligen Unruhen wieder einreißende Wildheit, unterdruͤckten den Geſchmack an dem Landleben, je mehr jetzt die ſchoͤne Natur und die vormals ſo angenehmen Landſitze verheert wurden. So viele Verwuͤſtungen, die ſchnell hinter einander in Italien einſtuͤrmten, mußten auch dieſen reizenden Scenen, wie vielen andern, bald einen voͤlligen Untergang zuziehen. Der Barbar ſiegte uͤber den Menſchen, wie uͤber die Kuͤnſte. Die Waffen wurden wieder die vornehmſte Beſchaͤftigung. Und die Ver- miſchung der aberglaͤubiſchen Geſinnung mit der kriegeriſchen mußte bald einen Geiſt ausbreiten, der von der edeln Einfalt und von den reinen Freuden der Natur abfuͤhrte. Die Vermengung ſo vieler verſchiedener Voͤlkerſchaften half nicht weniger einen ver- dorbenen Geſchmack ausbreiten. Das unbeſchuͤtzte Eigenthum ward geraubt und verwuͤſtet; und wenn der Feldbau noch einige Cultur empfieng, ſo war es blos Noth- durft, die dazu trieb. Man fieng an die Gegenden fuͤr die ſchoͤnſten zu halten, wo ein Kloſter ſich neben dem andern erhob. Die Baukunſt ſchien ſich ein Verdienſt der Heiligkeit daraus zu machen, blos Capellen und Kirchen zu errichten. Und wenn ſie ſich mit andern Gebaͤuden befaßte, ſo waren es gothiſche Klumpen von Schloͤſſern, mehr zur Vertheidigung, als zur Anmuth, mehr ſchrecklich als ſchoͤn, auf ſteilen Felſen in wilden Gegenden aufgethuͤrmt. Indeſſen waren bis ins zwoͤlfte Jahrhundert die Moͤnche faſt die einzigen, die ſich des verlaſſenen Landbaues annahmen. Ihr Eifer trieb ſie zum Theil in einſame Wuͤſten und ungeſunde Gegenden, in Waldungen und Gebirge, um der Verfuͤhrung der Zeit auszuweichen und die Sinnlichkeit zu bekaͤmpfen. Hier bebaueten ſie ſo manche Wildniß mit eigenen Haͤnden. Die Fuͤrſten ſchenkten ihrem Fleiße Laͤnde- reyen, Wohnungen und Knechte. Dieſes Verdienſt, das Land durch Anbau aus ſeiner alten Unfruchtbarkeit, worin es unter den Einfaͤllen barbariſcher Voͤlker ver- ſunken war, heraus zu reißen, erwarben ſich beſonders die Baſilianer und Bene- dictiner in Italien. Auch in Frankreich, in England und Schottland waren die Moͤnche die erſten Verbeſſerer des Landes. Ohne ihre nuͤtzliche Beſchaͤftigung waͤren viele Gegenden, die jetzt tauſend Menſchen ernaͤhren, Einoͤden, Moraͤſte und ein Aufenthalt wilder Thiere geblieben. Allein die Barbarey der Zeit war noch zu maͤchtig, als daß bey dieſer Liebe zum Landbau ſich zugleich ſchon ein guter Geſchmack an Luſtgaͤrten haͤtte erheben koͤn- nen. Dieſem naͤherten ſich am meiſten die ſpaͤter errichteten Moͤnchsorden, die in der D 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/41>, abgerufen am 29.03.2024.